Autorius: Jürgen Elsässer Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-04-14 04:27:00, skaitė 1641, komentavo 0
„Ohne Handeln hätten wir die Gefahr, dass es auch Millionen Tote gibt. Aber mit Handeln können wir dieses Szenario vermeiden“, verkündete Bundesinnenminister Horst Seehofer via Bild am 1. April. Woher kommt die Schockzahl? Offenbar stützte sich der CSU-Politiker auf ein hausinternes Geheimpapier („VS – Nur für den Dienstgebrauch“) mit dem Titel „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“, über das seit Ende März auszugsweise auch in den Leitmedien berichtet wird. Darin heißt es gleich zu Beginn:
„Die meisten Virologen, Epidemiologen, Wirtschafts- und Politikwissenschaftler beantworten die Frage ‚was passiert, wenn nichts getan wird, mit einem Worst-Case-Szenario von über einer Million Toten im Jahr 2020 – für Deutschland allein.“
Schon diese Vorgabe ist extrem demagogisch: Zum einen schlägt niemand vor, dass „nichts getan wird“; gestritten wird lediglich darüber, ob unser bisher im Weltvergleich sehr gut funktionierendes Gesundheitssystem in der Lage ist, mit saisonal erhöhten Patientenzahlen fertig zu werden, oder ob es dazu einer Stilllegung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens bedarf.
Zum anderen ist es eine Falschdarstellung, dass die meisten Virologen im Worst Case von über einer Million Toten ausgehen. Es gibt prominente Virologen und andere Fachmediziner aus der ersten Reihe der Wissenschaft, die die Auswirkungen von Corona mit früheren Influenza-Wellen vergleichen oder sogar als noch milder einschätzen – siehe dazu die Dokumentation dieser Expertisen von Wodarg, Bakhdi, Mölling, Streeck, Hockertz, Katz, Ioannidis in COMPACT-Aktuell „Corona: Was uns der Staat verschweigt“. So resümierte auch das $Ärzteblatt$ vom 30. September 2019: „Die außergewöhnlich starke Grippewelle 2017/18 hat nach Schätzungen rund 25.100 Menschen in Deutschland das Leben gekostet.“ Kein Arzt und kein Politiker hat damals ähnlich drakonische Maßnahmen vorgeschlagen wie jetzt.
Hexenformel 19/29/19
Wie kann man die Bürger vor diesem Hintergrund dazu bringen, dass sie sich zu Hause einsperren lassen? Indem man zum einen die Auswirkungen früherer Grippewellen unterschlägt und zum anderen in Bezug auf Corona mit fragwürdigen Horrorszenarien Panik verbreitet. „Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden“, schreiben die Verfasser und nennen Schock-Szenarien.
A) Den Alten Angst machen: Etwa mit einer Schilderung von Schwerkranken, die von ihren Angehörigen „ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen“ und dann „qualvoll um Luft ringend zu Hause“ sterben. „Das Ersticken oder Nicht-genug-Luft-kriegen ist für jeden Menschen eine Urangst. Die Situation, in der man nichts tun kann, um in Lebensgefahr schwebenden Angehörigen zu helfen, ebenfalls.“
B) Den Eltern Angst machen: „Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen, z. B. bei den Nachbarskindern“, heißt es in dem Papier „Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, schuld daran zu sein, weil sie z. B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.“
Es sollte außerdem „historisch argumentiert werden“, schlägt die Expertengruppe des Innenministeriums vor, nach der Formel: „2019 = 1919 + 1929“. Die aktuelle Corona-Entwicklung sei also eine Kombination aus der Spanischen Grippe vor 100 Jahren mit mindestens 25 Millionen Toten und der Weltwirtschaftskrise nach dem Schwarzen Freitag, die den Weg in Faschismus und Weltkrieg ebnete. Diese Formel werde „jedem einleuchten“, schreiben die Autoren. So soll der viel nahe liegendere Vergleich mit dem Grippewinter 2017/18, den ja die meisten noch in guter Erinnerung haben, aus den Köpfen verdrängt werden.