Autorius: Online-Autor Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-11-22 23:59:00, skaitė 779, komentavo 0
„Sie sang das alte Entsagungslied, das Eiapopeia vom Himmel, womit man einlullt, wenn es greint, das Volk, den großen Lümmel. Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, ich kenn auch die Herren Verfasser. Ich weiß, sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser.“ Trefflicher als Heinrich Heine in seinem „Deutschland. Ein Wintermärchen“ kann man den geplanten Neujahrsempfang der IHK Köln mit 250 Gästen – und für Jens Spahn als Gastredner – nicht kommentieren.
Frei nach Alexander Puschkin zünden sie die Lichter an, befüllen ihre Gläser, „ertränken lustvoll den Verstand und Feste schmeißend, Galas feiernd, verherrlichen die Seuchenzeit“. Sie sperren den Pöbel zuhause ein und schauen selbst feudalistisch drein, wenn sie trotz Kontaktverbotes, das die Herren Länderchefs noch verschärfen und verlängern wollen, am 7. Januar in ihren Traditionen – und einem feudalen Menü schwelgen werden.
Eine Einladung zum Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) in der Domstadt ist heiß begehrt. Hier feiert sich das Who-is-Who, der hochkarätige Klüngel aus Wirtschaft und Gesellschaft, aus Presse und Politik. Wer dabei ist, ist arriviert. Corona-Virus? Das macht selbstredend einen Bogen um die Elite. Und so hält IHK-Präsidentin Nicole Grünewald laut Kölner Stadtanzeiger „vorerst“ ebenso fest an dieser seit Jahrzehnten gepflegten Tradition wie die Corona-Herrscher an den Maßnahmen für die Untertanen.
Auch Merkel hatte schon die Ehre
In Smoking und Fliege, in Robe und Ballkleid führen die Herren und Damen der Gesellschaft Smalltalk bei einem Aperitif im Kammer-Foyer, um hernach beim Drei-Gänge-Galadinner an festlich gedeckten Tischen mit funkelndem Kristall im Börsensaal über die Auswirkungen der „Pest“ für die Normalsterblichen zu parlieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte unter anderen ebenso die Ehre, von ihrem Mentor Helmut Kohl seinerzeit wohlweislich auf Etikette bei Tisch getrimmt, wie der damalige französische Premierminister Édouard Philippe.
Da gaben sich noch wie alljährlich rund 600 Gäste ihr Stelldichein; heuer werden es nur 250 Privilegierte sein, womit die Gefahr einer Ansteckung mit dem tödlichen Virus gebannt ist, selbst wenn die Maske im perlenbestickten Abendtäschchen verschwindet.
Man wird parlieren über all die Hotels und Restaurants, die Clubs und Bars, die Kneipen und Imbisse, die seit dem 2. November für den Pöbel geschlossen sind. Über all die Fitnessstudios, Massage- und Kosmetikpraxen, die Theater und Bühnen, die Reisebüros und Solokünstler, die Pleite gehen, weil sich nun mal mehrere Personen auf engerem Raum nicht begegnen dürfen. Ist schließlich zu ihrem eigenen Schutz.
Zuhause bleiben? Das müssen nur Spahns Untertanen…
Das hat Bundesgesundheitskaufmann Jens Spahn (CDU) samt seinem Top-Virologen-Kabinett aus allen deutschen Landen so verfügt, gebetsmühlenartig kommuniziert. Im Stundentakt appelliert er an den gemeinen Bürger, gefälligst zu Hause zu bleiben. Als Festredner wird er sicher nichts anderes tun und einmal mehr diesen Gehorsam, „Besonnenheit“ genannt, anmahnen – adressiert an seine Untertanen. Also an die ohne Smoking & Co.
Die Vermittlung von Zuversicht hat sich die IHK mit ihrem Festbankett auf die Fahne geschrieben: Der Pöbel wird’s ihr danken, wenn er sieht, dass das Virus wohl doch nicht so gemein ist wie befürchtet, auch wenn die normalsterbliche Familie auf Geheiß ebenjener Mächtigen in den kommenden Wochen und Monaten auf eine Hochzeit, Beerdigung oder Taufe, einen Jubiläumsgeburtstag, auf Weihnachten mit den Verwandten und Freunden, ja, selbst auf Weihnachtsbesuche bei den Großeltern im Seniorenheim oder Krankenhaus bedingungslos gehorsam verzichtet. Von Party oder Dinner im Restaurant ganz zu schweigen. Und stattdessen ihre Kinder anmahnt, um Gottes Willen nicht mehr als nur einen einzigen Spielkameraden nach Schulschluss zu treffen.
Die werden sich hüten, zu viel an der frischen Luft zu sein – und dort schon gar nicht ohne Maske, wollen sie nicht der rücksichtslosen Gefährdung ihrer Lehrer und Großeltern angeklagt werden. Und zwar so lange, bis das bestialische Virus aus dem Fernen Osten besiegt und die letzte Impfpatrone verschossen ist.
Bis dahin ergötzt man sich an der Eliten Fest in der Pest, mit dem sie mitten in der „Krise“ in Aussicht stellt, wie auch der Pöbel eines Tages – etwa gegen Ende 2021 oder 2022 – ganz ohne Maske und Abstand feiern darf. Überlassen wir das Schlusswort noch einmal Heinrich Heine, explizit adressiert an den Herrn von Corona und Neuspahnstein, wenn er denkt an „Deutschland in der Nacht“: „Wir wollen auf Erden glücklich sein und wollen nicht mehr darben; verschlemmen soll nicht der faule Bauch, was fleißige Hände erwarben.“ …