Autorius: Ano Šaltinis: https://www.anonymousnews.org/... 2023-01-25 08:13:00, skaitė 481, komentavo 0
Die Ampel-Bande: Christian Lindner (FDP), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Olaf Scholz (SPD)
von Karsten Montag
In einem am 3. August 2022 veröffentlichten Dokument hat die dem Wirtschaftsministerium unterstellte Bundesnetzagentur drei mögliche Szenarien für die Gasversorgung Deutschlands im Zeitraum Juli 2022 bis Juni 2023 dargestellt. Im ersten Szenario geht die Behörde davon aus, dass über Nord Stream 1 kein Gas mehr geliefert wird. Im zweiten und dritten Szenario wird angenommen, dass noch 20 beziehungsweise 40 Prozent der bis April 2022 üblichen Mengen geliefert werden. Mit dem Ausfall von Nord Stream 1 tritt nun das erste Szenario ein.
Darin wird angenommen, dass ab Januar 2023 die beiden ersten Flüssiggasterminals in Deutschland bereitstehen und auch sofort mit einer Auslastung von 90 Prozent Gas in das deutsche Netz einspeisen können. Die Bundesnetzagentur bezeichnet diese Kapazität in einem Hintergrunddokument zu den Szenarien selbst als „sehr ambitioniert“. Weiterhin wird angenommen, der Gasverbrauch sei generell um fünf Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Szenario 1 ist in weitere Unterszenarien unterteilt, in denen Verbrauchs- und Weiterleitungsreduzierungen sowie zusätzliche, nicht aus Russland stammende Importe angenommen werden. Die Ergebnisse der Unterszenarien werden in dieser Abbildung dargestellt.
Ein Gasmangel sei demnach nur abwendbar, wenn der Verbrauch in Deutschland um weitere 20 Prozent gesenkt und die Weiterleitung von Erdgas in Nachbarländer um 35 Prozent reduziert würde. Bei einer Steigerung des Imports aus anderen Ländern außer Russland sei ein Gasmangel auch dann abwendbar, wenn der Verbrauch um 20 Prozent und die Weiterleitung um lediglich 20 Prozent gesenkt würde. Sollten das nicht geschehen, sei eine Gasmangellage bereits ab November zu befürchten, so die Behörde.
Laut des „Notfallplans Gas für die Bundesrepublik Deutschland“ aus dem Jahr 2019 ist eine großflächige Gasmangellage – im Gegensatz zu einem Stromausfall – kein abrupt eintretendes, sondern ein sich langsam aufbauendes Ereignis. Erdgasleitungen und Speicher wirken bei Lieferausfällen im Netz zunächst als Puffer. Eine Mangellage bedeutet ein Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage über einen längeren Zeitraum, das zu einer Unterversorgung der Verbraucher führt. Die im Notfallplan Gas beschriebenen Krisenstufen „Frühwarnung“, „Alarm“ und „Notfall“ regeln die Befugnisse des Staates, um insbesondere die Gasversorgung der geschützten Kunden wie Haushaltskunden und Kunden, die grundlegende soziale Dienste erbringen, zu gewährleisten.
Am 23. Juni hat Wirtschaftsminister Robert Habeck aufgrund der Reduzierung der russischen Gaslieferung über Nord Stream 1 auf 40 Prozent die Alarmstufe ausgerufen, die bis heute gilt. Diese Krisenstufe stellt eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgungslage aufgrund einer Störung der Gasversorgung oder einer außergewöhnlich hohen Nachfrage fest. Im Gegensatz zur Notfallstufe sei der Markt aber noch in der Lage, diese Störung zu bewältigen, ohne dass der Staat eingreifen müsse. Habeck hat aufgrund der Alarmstufe an die deutsche Bevölkerung appelliert, Energie einzusparen, und als wichtigstes Ziel die Befüllung der deutschen Gasspeicher benannt.
Im Folgenden soll anhand aktueller Daten des Verbands Europäischer Fernleitungsnetzbetreiber für Gas überprüft werden, inwieweit die Gas-Szenarien der Bundesnetzagentur nach dem Ende sämtlicher russischer Gaslieferungen über Nord Stream 1 eingetreten sind und wie es bisher gelungen ist, eine Gasmangellage zu vermeiden.
Tatsächlich konnte Deutschland zwischen Juli und September den Import von Erdgas aus anderen Ländern außer Russland im Schnitt um knapp 17 Gigawattstunden pro Stunde im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 steigern. Doch wie diese Abbildung zeigt, konnte die Einfuhr nicht signifikant über das Maximum der Vorjahre erhöht werden. Geht man davon aus, dass es bis Ende Juni 2023 weiterhin möglich ist, den Import auf das Maximum der Vorjahre zu steigern, dann könnte Importszenario 1.3.1 der Bundesnetzagentur mit einer Steigerung der Gasimporte aus anderen Länder außer Russland um 15 Gigawattstunden pro Stunde in die Realität umgesetzt werden.
Die Modellrechnung der Bundesnetzagentur geht in allen drei Szenarien – auch im ersten, in dem die Importe über Nord Stream 1 bei Null liegen – davon aus, dass hinsichtlich der Exporte eine Einschränkung von Nord Stream 1 auf 40 Prozent der üblichen Leistung vorliegt. So schreibt die Behörde auf Seite 3 des zugehörigen Dokuments:
„Exporte sind nach Einschränkungen der NS1 auf 40 % der Leistung temporär um ca. 35 % gesunken. Diese beobachtete Reduktion wird in einzelnen Szenarien zukünftig als permanent unterstellt.“
Diese Annahme ist für das erste und zweite Szenario unlogisch und sachlich nicht nachvollziehbar. Wieso geht die Behörde beim Import von einer Lieferleistung über Nord Stream 1 von null Prozent aus, beim Export gleichzeitig jedoch von einer Lieferleistung von 40 Prozent? Eine entsprechende Presseanfrage hat die Bundesnetzagentur leider nicht beantwortet. Tatsächlich sind die deutschen Gasexporte nach der völligen Einstellung der Gaslieferung über Nord Stream 1 bereits ab Ende August 2022 im Schnitt um 71 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der Vorjahre zurückgegangen, mit Tagesspitzen von über 80 Prozent.
Offensichtlich nutzt Deutschland aktuell seine Position als Transitland und kompensiert die mangelnden Importe durch eine adäquate Senkung der Exporte, um eine Gasmangellage zu vermeiden und die eigenen Gasspeicher zu füllen. Dies kann insbesondere für Länder fatale Folgen haben, die aufgrund ihrer eigenen Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen nun hauptsächlich auf Importe aus Deutschland angewiesen sind. Diese Abbildung zeigt, dass die Reduzierung der deutschen Erdgasexporte in Summe einen niedrigeren Wert ergeben als die Senkung der Importe. Als Folge daraus ist es in Deutschland, trotz der Reduzierung der Gaslieferungen über Nord Stream 1 auf Null, zu einem, für die Jahreszeit untypischen, Überschuss an Gas im eigenen Land gekommen.
Tschechien, das bisher zu 100 Prozent abhängig von russischem Gas war, ist besonders von den reduzierten deutschen Exporten betroffen. Laut Artikel 13 der EU-Verordnung 2017/1938, welche die Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung in der Europäischen Union regelt, sind die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, gegenseitige solidarische Hilfe zu leisten, wenn alle nationalen Notfallmaßnahmen zur Versorgung der geschützten Kunden gescheitert sind. Zudem haben Deutschland und Tschechien im Juli 2022 eine Absichtserklärung für ein gemeinsames Erdgas-Solidaritätsabkommen unterzeichnet.
Doch bisher verhält sich Deutschland, oder, genauer gesagt, der deutsche Markt, gegenüber seinem östlichen Nachbarn eher unsolidarisch. So sind die Netto-Gasexporte (Differenz aus Exporten und Importen) von Deutschland nach Tschechien im Zeitraum Anfang Juli bis Ende September 2022 im Vergleich zum Durchschnittswert der Vorjahre um 44 Prozent gesunken.
Das deutsche Gasspeichergesetz sieht einen Füllstand am 1. Oktober von 80 Prozent vor. Das Wirtschaftsministerium hat aufgrund der angespannten Lage auf dem Gasmarkt Ende Juli 2022 eine Verordnung erlassen, den geplanten Füllstand am 1. Oktober auf 85 Prozent zu erhöhen. Tatsächlich lag dieser Wert Anfang Oktober 2022 sogar bei 92 Prozent – während in Tschechien trotz reduzierter Lieferungen aus Deutschland immerhin eine Befüllung von 86 Prozent erreicht werden konnte.
Diese Abbildung zeigt zudem, dass mit der Energie in den Gasspeichern in fast allen europäischen Ländern nur ein Teil des jährlichen Verbrauchs abgedeckt ist. Deutschland kann mit dem Füllstand vom 1. Oktober 2022 knapp 25 Prozent seines jährlichen Verbrauchs decken, ist also – wie die anderen europäischen Länder, mit Ausnahme Lettlands – insbesondere im Winter auf weitere Importe angewiesen.
Sollten die deutschen Exporte weiterhin auf dem rigoros niedrigen Niveau bleiben wie im September 2022 und sollten sich die Importe aus anderen Ländern außer Russland um 15 Gigawattstunden pro Stunde steigern lassen, dann droht, wie in dieser Abbildung zu erkennen ist, überhaupt keine Gasmangellage – zumindest nicht in Deutschland. Bei derart niedrigen Gasausfuhren wären noch nicht einmal Einsparmaßnahmen im eigenen Land notwendig.
Angesichts der wider Erwarten positiven Lage der deutschen Erdgasversorgung stellt sich die Frage, warum die Bundesregierung noch immer an der Alarmstufe und den Energiesparverordnungen, die am 1. September und 1. Oktober in Kraft getreten sind, festhält. Hierzu lassen sich derzeit nur Thesen aufstellen.
Mit dem Szenario einer Notlage lassen sich kurzfristig – mithilfe von Verordnungen am Bundestag und Bundesrat vorbei – politische Maßnahmen umsetzen, die in einem entspannten Umfeld zunächst offen und sachlich diskutiert und eventuell zu Widerständen führen würden. Das aktuelle Vorgehen der Bundesregierung erinnert stark an die Corona-Krise, in der sich die Bürger abrupt mit Schul- und Geschäftsschließungen sowie einer Impfpflicht konfrontiert sahen.
Die Liberalisierung des Energiemarktes ist ein seit Jahrzehnten vorangetriebenes neoliberales Projekt, das angeblich durch die Steigerung des Wettbewerbs zu niedrigeren Kosten und einem Abbau von Überkapazitäten führen soll. Eine Folge dieser Entwicklung ist jedoch, dass die Beteiligung der Kommunen und Länder in Deutschland an systemrelevanten Energieunternehmen und zugehörigen Strukturen immer weiter abgebaut und an private, teils ausländische Konzerne veräußert wurde. Beispielsweise befand sich der größte Betreiber von unterirdischen Gasspeichern in Deutschland, die Uniper Energy Storage GmbH zusammen mit dem Mutterkonzern Uniper SE bis zur Verstaatlichung im September mehrheitlich im Besitz des finnischen Energiekonzerns Fortum.
Es existiert keine Garantie, dass das in Deutschland eingelagerte Gas, ob von deutschen oder ausländischen Unternehmen, auch für deutsche Energiekunden reserviert ist. Erst unlängst mussten Bundeswirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur einräumen, dass das Gas in deutschen Speichern von allen nationalen und internationalen Unternehmen, die im deutschen Gasmarkt registriert sind, gekauft werden kann. Entscheidend sei, wer den Höchstpreis biete.
Mit dem Szenario eines bevorstehenden Notstands lassen sich unangenehme Fragen zu den angeblichen Vorteilen der politisch gewollten Energiemarktliberalisierung vermeiden. So beispielsweise, warum trotz einer aktuell ausreichenden Versorgungslage Energieproduzenten und Händler Rekordgewinne einfahren, während die Endverbraucher eine Vervielfachung ihrer Energiekosten zu bewältigen haben. Durch eine Diskussion dieser Fragen könnte deutlich werden, dass nicht allein die ausbleibenden Lieferungen aus Russland, sondern vor allem der liberalisierte Energiemarkt und die nach Gewinnmaximierung strebenden privaten Energiekonzerne verantwortlich für die derzeit außerordentlich hohen Energiepreise sind.
Niemand kann derzeit voraussagen, ob die ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland nicht doch noch in Ländern, die sich zuvor fast ausschließlich über die russisch befüllten Gaspipelines Nord Stream, Jamal-Europa oder Transgas versorgt haben, in den nächsten beiden Wintern zu Engpässen führen. Nach den bisherigen Erkenntnissen könnte der eventuelle Gasmangel unter den EU-Mitgliedstaaten insbesondere Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien treffen. Um den EU-Zusammenhalt nicht zu gefährden, müsste insbesondere Deutschland den Export von Gas dann wieder deutlich erhöhen.
Die Refdaktion wollte von der Bundesnetzagentur, wie erwähnt einer Behörde im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums, wissen:
Die Pressestelle der Bundesnetzagentur reagierte darauf ausweichend, so dass weitere Nachfragen nötig waren, die bislang unbeantwortet sind.
Aktuell herrscht in Deutschland kein Gasmangel. Die Gasspeicher sind mit 92 Prozent Füllstand am 1. Oktober deutlich über der gesetzlich geforderten Marke von 85 Prozent. Die eingelagerten Gasmengen stehen allerdings nicht exklusiv den deutschen Verbrauchern zur Verfügung, sondern werden, solange der Wirtschaftsminister nicht die Notstandsstufe ausruft, an die meistbietenden Gasversorger verkauft.
Die Erfüllung der Soll-Marke war nur durch eine radikale Senkung der deutschen Gasexporte möglich. Die Bundesnetzagentur gibt auf Nachfrage keine Auskunft darüber, ob diese Senkung geplant war und ob sie über den Winter andauern wird. Von dieser Information hängt jedoch ab, ob die Bürger in Deutschland in den nächsten Monaten tatsächlich Gas einsparen müssen oder nicht.