Autorius: Paul Klemm Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-04-26 20:38:00, skaitė 1427, komentavo 0
„Mit ihrer Versammlung verstoßen Sie gegen die Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Senats von Berlin.“, tönt es blechern aus den Lautsprechern der Polizeiwagen. „Gemäß dieser Verordnung sind Versammlungen, Veranstaltungen, Ansammlungen und Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen zur Zeit unzulässig.“ Auf der Rosa-Luxemburg-Straße haben sich weit mehr als zwei Personen angesammelt. Hunderte tummeln sich in der engen Häuserschlucht. Sie alle wollen auf den nur wenige Meter entfernten Rosa-Luxemburg-Platz, wo für 15.30 Uhr eine Demonstration gegen die Coronamaßnahmen der Regierung angekündigt war.
Polizeitrupps haben ihnen den Weg versperrt. Sollten sie die Versammlung nicht umgehend auflösen, droht der Polizeisprecher, könne es „zu Maßnahmen wie Identitätsfestellungen oder Freiheitsbeschränkungen“ kommen. Die Polizeibeamten formieren sich, setzen ihre Helme auf und rutschen ihre Atemschutzmasken zurecht. Unbeirrt halten die Demonstranten ihre Schilder und Transparente in die Höhe, „Freiheit!“ rufen einige von ihnen. Dann wird das Absperrgitter zwischen Bürgern und Polizisten aufgedrückt, die Einsatzkräfte rücken vor. Pfiffe und Schreie erschallen als die ersten Demonstranten gepackt und abgeführt werden.
Vor allem eine Frau ist völlig aufgelöst. „Ich wollte doch nur kurz meinen Schnürsenkel binden. Ich bin hier nur langgelaufen.“, ruft sie immer wieder, als sie von den Polizisten weggezerrt wird. Hilfesuchend blickt sie zu den umstehenden Reportern, doch auch die werden von der Polizei zur Seite gedrängt, COMPACT-Journalist Martin Müller-Mertens bekommt sogar die Festnahme angedroht.
Während sich die Einsatztrupps brachial in den Pulk von Demonstranten wühlen, harren auf dem Rosa-Luxemburg-Platz noch immer die Menschen aus, die sich schon vor Aufbau der Polizeisperren dort versammelt haben. Es ist ein buntgemischter Haufen, der da im Schein der Frühlingssonne friedlich demonstriert: eine indianisch gekleidete Frau sitzt auf ihrer Wolldecke und meditiert, ein Mann mit Gitarre singt Lieder über Jesus, AfD-Politiker in teuren Anzügen stehen im Kreis und unterhalten sich. Aufsehen erregen zwei Aktionskünstler, die ihre Haut mit grauer Farbe bestrichen und sich ihre Personalausweise um den Hals gehängt haben. So sitzen sie regungslos mitten auf dem Platz, als habe der Staat sie mit seiner Corona-Politik bei lebendigem Leib einbetoniert.
Auch Prominenz hat sich eingefunden. So zum Beispiel die DDR-Oppositionelle und Biologin Angelika Barbe. „Die Leute sind hier, weil sie das Grundgesetz verteidigen. Ich bin ja nicht die Einzige, die das Grundgesetz vorhält.“, sagt sie und deutet auf einige Protestler, die demonstrativ die Verfassung vor der Brust tragen. Was sie nicht verstehen kann, ist, warum die Polizei derart rigoros gegen friedlich Demonstrierende vorgeht. „Das Verfassungsgericht hat ja vorige Woche zur Stuttgarter Demo geurteilt, dass natürlich Demonstrationen gestattet werden müssen und das man, wenn man die Regeln hier einhält, selbstverständlich für seine Grundrechte streiten darf.“
Als bekanntes Gesicht war auch Martin Kesici auf der Hygiene-Demo unterwegs. 2003 hat er die Casting-Show Star Search gewonnen, reüssierte als Rockmusiker und Radiomoderator, war auch schon im Dschungelcamp. Er wolle auch nächste Woche wieder demonstrieren, sagt er und gibt dem COMPACT-Team eine Ghettofaust. „Es ist jetzt egal aus welchem Lager wir kommen, es geht um unsere Freiheit!“
Nach circa zwei Stunden sind alle Straßen zum Rosa-Luxemburg-Platz , ist schließlich auch der Platz selbst leergeräumt. Über einhundert Personen mussten dafür verhaftet werden. Auch vor älteren Demonstranten machten die Polizisten nicht Halt, bogen ihnen schonmal unsanft die Arme auf den Rücken.
Dass die Hygiene-Demo auch nächste Woche wieder stattfindet, ist relativ sicher. Ob sie vom Berliner Senat verboten wird oder nicht, spielt für die Lockdown-Gegner ohnehin keine Rolle. Denn mögen die Mitglieder dieser neuen Querfront noch so verschiedene Hintergründe und Überzeugungen haben, in einem sind sie sich einig: die Macht, die der Staat durch das Coronavirus erhalten hat, muss von seinen Bürgern jetzt zurückerkämpft werden. Denn Corona hin oder her – freiwillig wird sie der Staat nicht wieder abgeben.