Autorius: Marcel Joppa Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pol... 2020-05-28 11:06:00, skaitė 965, komentavo 0
Es mag sie noch geben, die langjährigen „Bild“-Leser. Doch die Beliebtheit des Boulevard-Blatts nimmt stetig weiter ab. Im ersten Quartal 2020 lag die Auflage bei nur noch knapp 1,3 Millionen Exemplaren. Im ersten Quartal 2011 war sie noch mehr als doppelt so hoch. Das hat sicher auch mit der generell sinkenden Nachfrage bei Printmedien zu tun. Deshalb setzt die „Bild“ schon länger vermehrt auf ihre Online-Ausgabe. Doch nicht nur das: Auch die politische Linie der Redaktion hat sich geändert.
Seit März 2018 sitzt Reichelt im redaktionellen Chefsessel der „Bild“. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt begann die Transformation der Zeitung vom einstigen Boulevard-Wadenbeißer hin zu einem Medium, dass vor allem politische Macht und Einflussnahme ausüben will. Der ehemalige „Bild“-Politikchef und Journalist Georg Streiter notierte am vergangenen Dienstag auf Facebook, die aktuelle Bildzeitung sei nicht wiederzuerkennen:
„Deshalb tut es umso mehr weh, zu beobachten, wie der aktuelle Chefredakteur mit einer Handvoll gläubiger Jünger seit März 2018 die gute Arbeit der Mehrheit ihrer Kolleginnen und Kollegen ruiniert.“
Kurz zuvor war ein Artikel des „Bild“-Redakteurs Filipp Piatov erschienen, der journalistisch ungenau und sogar fehlerhaft eine Studie des Virologen Christian Drosten kritisierte, ohne den genauen Inhalt zu kennen. Zu Piatov, der im Impressum der „Bild“ als Ressortleiter für „Meinung“ ausgewiesen ist, schreibt Georg Streiter:
„Verfolgt man seine Machwerke über längere Zeit, kommt man schnell darauf, was wohl seine Aufgabe ist: Piatov ist nicht dafür zuständig, verschiedenen Meinungen im Blatt Raum zu geben, sondern ausschließlich dafür, die Meinung des Chefredakteurs durchzusetzen.“
Die Recherche-Methoden von Piatov nennt Streiter „niederträchtig“, und er spricht ihm jegliche journalistische Kompetenz ab. Er schreibt auch, dass Piatov seinen Artikel in 20 Minuten „dahingerotzt“ hätte, völlig ohne Ahnung vom Inhalt. Doch bei aller Kritik an dem Redakteur dürfe man nicht vergessen, wer dafür die Verantwortung trage, so Streiter:
„Das ist Julian Reichelt, der 'Vorsitzende der Chefredaktionen'. Es ist wie bei Hundebesitzern: Das Problem befindet sich in der Regel am oberen Ende der Leine.“
Zum engeren „Jünger“-Kreis Reichelts gehört neben Filipp Piatov auch der Politik-Ressortleiter Julian Röpcke, der hart antirussische Positionen vertritt und in seinen Artikeln sowie auf Twitter völlig offen seiner aggressiven Haltung gegen den Kreml und Präsident Putin Ausdruck verleiht.
Das passt zum neuen Investor und Hauptanteilseigner am Axel-Springer-Konzern: Bereits im Juni 2019 kündigte der US-Finanzinvestor KKR ein Übernahmeangebot für das deutsche Medienunternehmen an. Mit zunächst 2,9 Milliarden Euro übernahm KKR dann Ende vergangenen Jahres insgesamt 44,28 Prozent der Geschäftsanteile und wurde damit auf Anhieb größter Aktionär – noch vor der Verlegerwitwe Friede Springer. Mittlerweile hält das US-Unternehmen nach einem Zukauf sogar 47,6 Prozent der Anteile. Doch wer ist KKR eigentlich? Der breiten Masse in Deutschland dürfte der milliardenschwere Investor unbekannt sein.
Die „KKR & Co Inc.“ nannte sich früher „Kohlberg Kravis Roberts und Co.“, benannt nach den drei Unternehmensgründern Jerome Spiegel Kohlberg, Henry Kravis und George Rosenberg Roberts. Es ist eine 1976 ins Leben gerufene Aktiengesellschaft mit Sitz in New York. Ziel der Beteiligungsgesellschaft ist es seitdem, Anteile anderer Firmen zu kaufen, diese dann zu übernehmen, zu zerschlagen oder in ihrem geschäftlichen Kurs zu beeinflussen. Darin ist KKR sehr erfolgreich – mit einem jährlichen Umsatz von etwa 2,4 Milliarden Dollar und einem zu verwaltenden Vermögen von knapp 200 Milliarden Dollar. Seit einigen Jahren mischt das Unternehmen KKR auch massiv in der deutschen Medienlandschaft mit.
So übernahm KKR 2017 das deutsche Marktforschungsinstitut GfK, das neben dem Konsumklimaindex unter anderem auch für die Ermittlung der Einschaltquoten in Deutschland zuständig ist. Im Jahr 2019 übernahm KKR dann das TV-Unternehmen „Tele München Gruppe“, die wiederum an zahlreichen Radio- und Fernsehsendern wie RTL II beteiligt ist. Auch die von Günther Jauch gegründete Firma „I&U TV“, bekannt für Formate wie „stern TV“ und „Menschen, Bilder, Emotionen“, gehört mittlerweile zu KKR. Vor einigen Monaten begann das US-Unternehmen dann, Anteile an der „ProSiebenSat1 Media“ zu kaufen. Zwischen 2006 und 2014 war KKR schon einmal Aktionär von Pro Sieben.
Ob es neben dem finanziellen Interesse von KKR eine weitere Agenda gibt, ist nicht bekannt. Generell wird dem Konzern aber eine gewisse Nähe zur US-Politik nachgesagt. Einer der Vorsitzenden in dem Unternehmen ist seit 2013 der ehemalige Vier-Sterne-General und Direktor des Auslandsgeheimdienstes CIA, David Petraeus. Entsprechend exzellent ist der Kontakt zu Militär, Wirtschaft und Weißem Haus. Die meisten Köpfe von KKR kommen aus dem Banken- und Investmentsektor. Deutschland-Chef Christian Ollig beispielsweise hat bei Lehman Brothers gearbeitet, bis die US-Bank 2008 unterging. Im Schnitt verdient übrigens jeder der rund 1.300 KKR-Mitarbeiter weltweit pro Jahr rund eine Million US-Dollar.
Springer benötigt laut dem „Manager Magazin“ übrigens die Finanzkraft von KKR, um die Expansion im Digitalgeschäft voranzutreiben: Die Bedeutung von deutschsprachigen Zeitungen und journalistischen Inhalten ist im Springer-Geschäftsmodell seit Jahren gesunken und wird wohl weiter sinken. Für den Großteil des Gewinns sorgen demnach nicht „Bild“ oder „Welt“, sondern digitale Portale wie „StepStone“ oder „Immowelt“.
Mit dem US-Investor KKR und Julian Reichelt scheinen sich also zwei Akteure gesucht und gefunden zu haben. In den 60er Jahren sagte Unternehmensgründer Axel Springer:
„Die Masse, nicht der Intellektuelle sind unsere Zielgruppe.“
Das gilt auch heute, nur unter veränderten Vorzeichen: Online statt Print, Politik statt Boulevard. Ob der US-Investor KKR den weiteren Kurs der „Bild“ bestimmen wird, bleibt abzuwarten. Die große Kampagnenmacht von einst hat das Blatt eingebüßt, eine gewisse mediale Richtung kann es aber allemal noch vorgeben – zumindest bis jetzt.