Autorius: Andreas Peter Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pol... 2020-06-10 10:42:00, skaitė 987, komentavo 0
Bereits nach der mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2020 musste den Juristen des Bundesinnenministeriums (BMI) eigentlich klar gewesen sein, dass sie gegen die Partei Alternative für Deutschland (AfD) in dieser Sache chancenlos sein würden. Denn es zeigte sich, dass der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) unter Vorsitz des Präsidenten des höchsten deutschen Gerichtes, Andreas Voßkuhle, jener Linie treu blieb, die er bereits im Fall „AfD gegen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka“ verfolgt und im Februar 2018 in ein Urteil gegossen hatte. Das ist in den wesentlichen verfassungsrechtlichen Aussagen beinahe deckungsgleich mit dem nunmehrigen Urteil gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer. Dennoch ließ es das BMI nur sieben Monate nach dem Urteil gegen Wanka erneut auf eine Niederlage für die Bundesregierung in Karlsruhe ankommen.
Seehofer hatte am 14. September 2018 auf der Internetseite seines Ministeriums ein Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (DPA) veröffentlichen lassen, in welchem er der AfD wörtlich vorwarf:
„Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten. Das haben Sie am Dienstag im Bundestag miterleben können mit dem Frontalangriff auf den Bundespräsidenten. Das ist für unseren Staat hochgefährlich. Das muss man scharf verurteilen. Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend.“
Dagegen klagte die AfD, die sich in ihrer Chancengleichheit verletzt sah, weil auch der CSU-Bundesminister, wie schon 2015 die damalige CDU-Bundesbildungsministerin, die Ressourcen und die Autorität eines Ministeriums in die Waagschale des politischen Meinungsstreits warf. Und das Bundesverfassungsgericht schließt sich der Position der AfD an. Zwar haben die Verfassungshüter keine grundsätzlichen Einwände gegen eine unmissverständliche politische Positionierung auch eines Bundesministers, aber eben nicht auf seiner Internetseite, mit Bundesadler und Logo der Bundesregierung. Der scheidende Verfassungsgerichtspräsident Voßkuhle sagte dazu bei der Urteilsverkündung:
„Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung endet dort, wo Werbung für oder Einflussnahme gegen einzelne im politischen Wettbewerb stehende Parteien oder Personen beginnt.“
„Es ist der Bundesregierung von Verfassungs wegen versagt, sich mit einzelnen Parteien zu identifizieren und die ihr zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel und Möglichkeiten zu deren Gunsten oder Lasten einzusetzen.“
Dagegen hat das BMI eindeutig verstoßen. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMI, Günter Krings nannte den Rüffel aus Karlsruhe für diese Missachtung eines Urteils des höchsten deutschen Gerichtes „sehr wertvoll“.
In einer Stellungnahme des BMI auf eine Nachfrage von Sputnik Deutsch heißt es:
„Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat nimmt das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis und wird dieses jetzt auswerten. Im Rahmen dessen wird auch geprüft, welche Konsequenzen sich daraus für die Öffentlichkeitsarbeit des BMI ergeben.“
Alice Weidel, eine der beiden Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag, hat da ganz konkrete Vorstellungen. „Der bestätigte Verfassungsverletzer Horst Seehofer sollte als Innenminister abtreten“, ist eine Pressemitteilung auf der AfD-Internetseite betitelt. Die beiden Bundesvorsitzenden der Partei waren da deutlich nachsichtiger in ihren Reaktionen:
Bundessprecher Jörg Meuthen:
„Dieser juristische Sieg der AfD über Seehofer ist ein wichtiger Beitrag zur politischen Hygiene in Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass sich auch ein Bundesinnenminister an Recht und Gesetz zu halten hat – er darf keine Regierungsressourcen nutzen, um die Opposition zu diffamieren!“
Bundessprecher Tino Chrupalla:
„Wir waren schon erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht, sind es heute, und werden es auch in Zukunft wieder sein. Der Bundesvorstand wird AfD-Wähler und Parteimitglieder auch weiterhin vor Diffamierungen schützen. Die etablierten Parteien mögen mit der Moral spielen, wir haben das Recht auf unserer Seite!“
Widerspruch kommt von anderen Parteien. Die frühere bündnisgrüne Bundesagrarministerin Renate Künast, selbst Anwältin, erinnerte in einem Twitter-Kommentar daran, dass Horst Seehofer außerhalb seines Ministeriums sagen dürfe, dass die AfD seiner Meinung nach staatszersetzend sei.
.@ZDF, wie kann man @BVerfG so gar nicht verstehen? Es ging nur darum, dass er es nicht auf die Seite des Ministeriums setzen darf. Dort gibt es ja die Pflicht zur Neutralität. Aber sagen darf er,#Seehofer es schon! Noch mal zum Üben: #AfD ist Staatszersetzend. @HateAid https://t.co/yc2q8HLWkp
— Renate Künast (@RenateKuenast) June 9, 2020
Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Obmann im Innenausschuss, Benjamin Strasser, findet: „Inhaltlich hatte Seehofer recht. Es auf bmi.bund.de zu verbreiten, war ein Fehler und spielt der AfD nun in die Karten.“
Inhaltlich hatte #Seehofer recht. Es auf https://t.co/lgthlPGG3H zu verbreiten, war ein Fehler & spielt der #AfD nun in die Karten. Hinter dem Vorfall steht eine AfD-Strategie: provozieren, das Opfer spielen, klagen. Wir Demokraten müssen mit diesen Provokationen besser umgehen. https://t.co/UPdhd0xEBa
— Benjamin Strasser (@bstrasser) June 9, 2020
Auch der rechtspolitische Sprecher der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, stellte sich hinter den Bundesinnenminister und kopierte dafür einen ähnlichen Kurzkommentar des Hauptstadtkorrespondenten vom „Handelsblatt“ in sein Twitter-Profil.
In der Sache bleibe die #Seehofer|s Aussage richtig. „#AfD missbraucht an vielen Stellen ihre verfassungsgemäßen bzw. ihre nach d Geschäftsordnung d Bundestages zustehenden Rechte, um demokratische Prozesse zu delegitimieren“, sagt @JM_Luczak. https://t.co/DA7FuH6Nvn
— Dietmar Neuerer (@dneuerer) June 9, 2020
Das Bundesinnenministerium hat wie bereits erwähnt, in Gestalt des Parlamentarischen Staatssekretärs Krings schon wissen lassen, dass es nun genauer schauen werde, was auf der Internetseite des BMI eingestellt werde.
Das scheint auch nötig zu sein. Denn in der Rubrik Interviews finden sich auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums bis heute einige Beispiele grenzwertiger Öffentlichkeitsarbeit, werden die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichtes als Maßstab angelegt, also keine Identifikation der Bundesregierung mit einer politischen Partei und kein Einsatz von staatlichen Mitteln und Möglichkeiten zu deren Gunsten oder Lasten. Nur ein paar Beispiele:
Das Interview, das Gegenstand des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes gewesen ist, kann seit dem 14. Oktober 2018 nicht mehr online auf der Interneteite des BMI abgerufen werden.