Autorius: Marcel Dettmer Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-06-24 18:21:00, skaitė 1040, komentavo 0
Während in Stuttgart die – so die örtliche Polizei – „Party- und Eventszene“ unter Allahu-Akhbar-Rufen randalierte, betreibt Horst Seehofer Symbolpolitik gegen Rechts: Heute morgen hat der Bundesinnenminister die Gruppe „Nordadler“ verboten. Doch was als rechtsextreme Terrorbande inszeniert wird, wirkt eher wie eine Truppe harmloser Idioten.
„Seit den Morgenstunden laufen in vier Bundesländern polizeiliche Maßnahmen“, teilte der Sprecher des Innenministeriums, Steve Alter, am Dienstagmorgen auf Twitter mit. Es habe Razzien in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen gegeben. Allzu gefährlich scheint die Gruppe allerdings nicht gewesen zu sein. Die „Nordadler“ hätten vorwiegend im Internet agiert, heißt es. Offenbar betrieben sie eine Webseite und einen öffentlichen Telegram-Chat mit dem Namen „Führung“. Dort sollen sich auch positiv über politische Gewalt geäußert worden sein, woraus jedoch nie konkrete Pläne wurden. Der eigentliche Hauptvorwurf ist offenbar, dass sich die Mitglieder zu Adolf Hitler bekannten, die „Sprache des Nazi-Regimes“ nutzten und in Chats einschlägige Bildchen austauschten. „Rechtsextremismus und Antisemitismus haben auch im Internet keinen Platz“, sagte Alter – was bereits darauf schließen lässt, dass die „Nordadler“ realweltlich völlig bedeutungslos gewesen sein dürften.
Telegram-Terrorzelle?
Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass die Gruppe ins Visier gerät: Bereits im April 2018 hatte es Razzien wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung gegeben, weil die Mitglieder in Telegram-Chats Gewaltphantasien austauschten und die Behörden offenbar mitlasen. Scharfe Waffen wurden aber keine gefunden, auch Festnahmen gab es nicht. Nichtsdestotrotz zog die Bundesanwaltschaft den Fall an sich: Die vier Beschuldigten hätten damals Anschläge auf politische Gegner erwogen, diese jedoch nicht näher geplant. Das klingt nach einer prahlerischen „Man-müsste“-Rhetorik, wie sie sich vermutlich in unzähligen privaten Chatverläufen mit Bezug auf Spitzenpolitiker und Prominente finden ließe. Offenbar führte man zumindest Listen mit Antifa-Mitgliedern aus der Region. Ob diese allerdings zu Anschlagszwecken gedacht waren, ist zweifelhaft: In den Medien gerne zitierte „Rechtsextremismusexperten“ beobachten ihre politischen Gegner auch bis hin zum Stalking, begehen deshalb aber in der Regel längst noch keine Anschläge. Trotzdem sind die Ermittlungen auch nach zwei Jahren noch immer nicht abgeschlossen.
„Man kann es nicht wirklich Gruppe nennen“
Tatsächlich macht der Fall den Eindruck, dass es sich im einen losen Kreis politisch verwirrter Spinner handelt, die nach der Instrumentalisierung des antisemitischen Amoklaufs von Halle im vergangenen Jahr für eine symbolische Gegen-Rechts-Politik des Innenministeriums herhalten müssen. In einem zwei Jahre alten Interview mit dem NDR (Tagesschau, 18.4.2018) kann man sich ein Bild von einem der Hauptbeschuldigten machen. Wladislaw S., ein blasser junger Mann mit schütterem Haar, schwarzem Hemd und Tarnhose, bekennt sich darin offen zu seinem Neonazi-Gedankengut. „Man kann es nicht wirklich Gruppe nennen“, sagt er mit osteuropäischem Akzent über die „Nordadler“, „es ist halt eine Interessengemeinschaft [von Personen], die dem Nationalsozialismus nicht abgeneigt sind oder eine Autarkie wollen, aus dieser Gesellschaft raus wollen.“ Er spricht sich jedoch genauso offen gegen Gewalt aus. Über ihm vorgeworfene Anschlagspläne sagt S. freimütig: „Ich finde es lächerlich, da es nichts bringt (…) sondern das würde eher das Gegenteil bewirken, dass man uns dann wieder als die bösen Nazis schimpft, die Krieg wollen und Terroranschläge planen.“ Damals blieb S. auf freiem Fuß. Offenbar schätzen die Behörden die tatsächlich von ihm ausgehende Gefahr als gering an. Bekannt ist auch, dass gerade lose Chatgruppen (zuletzt die Anfang des Jahres verhaftete „Gruppe S.“ aka „Der harte Kern“) immer wieder von Spitzeln und Informanten des Verfassungsschutzes durchsetzt sind. Nicht selten sind es gerade diese, die saktiv zu Straftaten anstiften.
Verbindungen zum Islamischen Staat
Kurios ist unterdessen, dass S. 2017 mit Sascha L. vor Gericht stand, der seinerzeit als IS-Sympathisant angeklagt war. Dem NDR sagte S., er habe den späteren IS-Mann in „nationalsozialistischen Kreisen“ kennengelernt, bevor dieser zum Islam konvertierte. Damals wurde S. wurde vom Landgericht Braunschweig als mutmaßlicher Helfer zu einer Geldstrafe und gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Er hatte eine angebliche „Probesprengung“ begleitet und das Video auf Youtube gestellt. Das absurde Geschehen erinnert an einen aktuellen Fall aus den USA: Dort muss sich der 22-Jährige Soldat Ethan M. vor Gericht verantworten, weil er einen Anschlag auf seine eigene Einheit geplant haben soll. Zudem soll M. ein IS-Terrorhandbuch auf seinem Rechner gehabt und Informationen an die britische Satanisten-Gruppe „Order of Nine Angles“ (O9A) weitergegeben haben. Zu diesem wiederum gehörte auch David Myatt, eine wichtige Führungsfigur vom „Combat-18“ in Großbritannien. Über die Verstrickungen von Geheimdiensten und Neonazi-Kreisen berichteten wir ausführlich in COMPACT-Spezial Nr. 24 „Tiefer Staat“.
Nach allem, was bisher bekannt ist, dürfte der eigentliche Hintergrund des „Nordadler“-Verbots weniger deren Gefährlichkeit sein: Wahrscheinlich ist es eher dem Bedürfnis Horst Seehofers geschuldet, sich nach dem Mord an Walter Lübcke sowie den Amokläufen in Halle und Hanau im Kampf gegen Rechts als harter Hund zu profilieren. Es ist bereits das dritte Verbot einer rechtsextremen Gruppe durch den Bundesinnenminister in diesem Jahr: Im Januar wurde das mit V-Männern durchsetzte Netzwerk „Combat-18“ aufgelöst, im März eine Reichsbürger-Vereinigung. Insgesamt hat das Innenministerium bereits 20 rechtsextreme Gruppierungen verboten – dass viele davon, wie auch im aktuellen Fall, kaum als wirkliche Organisationen zu bezeichnen sind, ist dabei nichts Neues.