Autorius: Sven Reuth Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-09-08 18:31:00, skaitė 803, komentavo 0
Der wolgatatarische Wissenschaftler Wil Mirsajanow, der entscheidend an der Entwicklung der Nowitschok-Kampfstoffe beteiligt war und der nach dem Ende des Kalten Krieges nach New Jersey in die Vereinigten Staaten emigrierte, ist jedenfalls schon lange der Auffassung, dass das Gift in jeder Fabrik für Düngemittel oder Pestizide hergestellt werden könne, man müsse nur sein Buch über das sowjetische Chemiewaffenprogramm als Anleitung nehmen.
Ein Überläufer dient sich in Pullach an
Eine Probe des Giftes war sogar schon Mitte der neunziger Jahre in die Hände des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND gelangt. Damals brachte ein Überläufer eine Nowitschok-Probe in die BND-Zentrale im bayerischen Pullach, die seine Frau über die russische Grenze geschmuggelt hatte. Wie die Zeit schon im Mai 2018 berichtete, entschied der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, die Probe mit den anderen NATO-Staaten zu teilen.
Unter größten Geheimhaltungsmaßnahmen wurde die Probe nach Stockholm gebracht und dort mit dem Wissen und der Genehmigung der schwedischen Regierung untersucht. Nach mehrwöchigen Untersuchungen lag das Ergebnis vor, wonach es sich um einen „unbekannten binären Kampfstoff“ handele, der hochwirksam sei und gegen den „im Nato-Bereich kein Gegenmittel“ existiere. Die Schweden schickten außerdem gleich eine Formel zur Herstellung des Nervengiftes nach Deutschland.
USA mischten Gift nach
In ihrem Artikel in der Zeit stellen Holger Stark und Georg Mascolo dann noch fest: „Und seit den neunziger Jahren kennt eine ganze Reihe von Staaten die Rezeptur des Giftes; manche, wie die Amerikaner, haben kleine Mengen nachgemischt, um ihre Schutzvorkehrungen auf den neuesten Stand zu bringen. Andere verfügen dank der Deutschen zumindest über die chemische Formel.“
Die vermeintliche Exklusivität des Giftes wurde in der Folgezeit dann noch dadurch weiter geschwächt, dass der schon erwähnte Wil Mirsajanow im Jahr 2008 dann auch noch Teile der chemischen Formel zur Herstellung von Nowitschok ganz offen publizierte.
Vorverurteilungen sind unangebracht
Schon im Oktober 1991 hatte Mirsajanow einen Text über eine in der Hand der Sowjetunion befindliche neue, unbekannte Klasse hochgefährlicher Nervengifte in einer Moskauer Zeitung veröffentlicht, den Namen Nowitschok aber noch nicht genannt. Im September 1992 – die Sowjetunion war mittlerweile implodiert – hatte er einen zweiten Artikel nachgelegt. Dennoch durfte er 1995 in die USA emigrieren.
Wenn Nowitschok also eines nicht ist, dann ein klares Beweisstück für eine vermeintliche Täterschaft Russlands am Nawalny-Anschlag. Die deutsche Regierung, die sich so viel auf ihre rechtsstaatlichen Prinzipien zugute hält, sollte deshalb auch mit ihren Unterstellungen etwas vorsichtiger sein.