Autorius: Valentin Raskatov Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pol... 2020-09-18 12:04:00, skaitė 844, komentavo 0
Von 40 auf 55 Prozent unter den Emissionswert von 1990. Eine solche Nachschärfung des Klimaziels bis 2030 hat jüngst EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyenin einer Rede in Brüssel vorgeschlagen. Die Wirtschaft und die Industrie könnten das laut einer Folgenabschätzung der EU-Kommission bewältigen. Aber ist die Industrie dazu wirklich in der Lage?
„55 Prozent sind sehr ambitioniert, aber technisch – und bei entsprechenden Rahmensetzungen auch international wettbewerbsfähig und sozialverträglich – realisierbar“, findet Harald Bradke vom Verein deutscher Ingenieure (VDI).
Wichtig sei dabei die Ersetzung fossiler Energieträger, in erster Linie von Kohle, der Zubau erneuerbarer Energieanlagen und Stromspeicher sowie Strompreise, die konkurrenzfähig zur Verbrennung zu Kohle sind. Anstelle von Heizöl und Erdgas sieht Bradke elektrische Wärmepumpen, anstelle von Verbrennungsmotoren – Elektromotoren.
Eine wichtige Rolle spielt aus seiner Sicht auch der Wasserstoff, der Überschussstrom chemisch speichern kann. „Benötigt wird dieser grüne Wasserstoff vor allem als Rohstoff in der chemischen Industrie und als Reduktionsmittel in der Roheisenproduktion, aber auch für schwere Lastkraftwagen, Schiffe und Flugzeuge, weniger für Autos oder die Rückverstromung“, so Bradke.
Vor allem der Altbau beziehungsweise dessen Sanierung ist ein energetischer Dorn im Auge. „Die vielfältigen dortigen Hemmnisse müssen durch finanzielle Anreize, aber auch Vorschriften überwunden werden“, betont Bradke. Beim Bau neuer Gebäude biete der Baustoff Holz großes Einsparungspotenzial, denn so vermeide man die CO2-intensive Zementproduktion und außerdem speichere Holz das aus der Luft aufgenommene CO2 auf lange Zeit.
Da diese Umstellung aber Zeit braucht und in manchen Bereichen Treibhausgase wohl nie ganz verschwinden werden, müssten auch bestehende Technologien in CO2-intensive Prozesse eingebunden werden.
„Zusätzlich könnte es notwendig werden, die Abscheidung und Nutzung oder Speicherung des nicht vermeidbaren Kohlenstoffs (CCU/CCS- Carbon capture and usage bzw. Carbon capture and storage) schneller voranzubringen. Spätestens für ein treibhausgaszentrales Europa im Jahr 2050 wird Ccu/CCS wahrscheinlich gebraucht werden“, so Bradke.
Damit der Umbau gelingt, müssen aus Bradkes Sicht die Treibhausgase von ihren Folgen her bepreist werden. Das verteilte Geld könnte an „besonders betroffene Bevölkerungsgruppen und Industriebetriebe“ fließen wie auch für die Schaffung weiterer klimaverträglicher Technologien. Die Gefahr, dass die europäische Produktion dadurch immer mehr von Importen abgelöst wird, geht Bradke so an: „Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie vor Importen aus Ländern mit einem deutlich niedrigeren Klimaschutzstandard zu schützen, sollten für besonders energieintensiv herzustellende Produkte wie zum Beispiel Stahl eine Art Zollgebühr (Grenzausgleichsabgabe) in der Höhe der in Europa für ein gleiches Produkt aufzuwendenden Klimaschutzkosten erhoben werden.“
Sein Fazit lautet: „Dieser Umbau des gegenwärtigen auf fossilen Energieträgern basierenden Systems in ein treibhausgasneutrales Energiesystem erfordert von allen große Anstrengungen. Es bietet aber auch große Chancen. Es wird viele neue Arbeitsplätze in der Umbauphase schaffen, die Kosten für die überwiegend importierten fossilen Energieträger senken und für die europäische Industrie mit innovativen nachhaltigen Produkten große Chancen auf dem Weltmarkt schaffen.“
Auch Matthias Buck, Leiter des Bereichs Europäische Energiepolitik bei der Denkfabrik Agora Energiewende, findet: „Ursula von der Leyen ist mit dem Versprechen angetreten, Klimaschutz zu einem zentralen Thema ihrer Kommissionspräsidentschaft zu machen. Und sie liefert. Trotz Corona. Und trotz erheblicher Widerstände aus Teilen der Wirtschaft. Die Kommission legt überzeugend dar, dass die wirtschaftliche Erholung Europas und eine deutliche Beschleunigung beim Klimaschutz zusammengedacht werden müssen. Sie zeigt, dass mehr Klimaschutz technisch möglich ist und die Vorteile eines beschleunigten Handelns mögliche Nachteile weit überwiegen. Es ist gut, dass die Europäische Kommission deutlich macht, beschleunigten Klimaschutz und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie von Anfang an zusammenzudenken. Ebenso positiv ist die Betonung eines sozial ausgewogenen Klimaschutzes.“
Positiv sind aus Bucks Sicht die Ausweitung des Europäischen Emissionshandels auf die Sektoren Verkehr und Gebäude und die Einbeziehung der Landwirtschaft in diesen Prozess. Er betont aber auch:
„Allerdings präsentiert die Kommission hier noch keine Lösungen. Ab jetzt wird es darum gehen, konkrete Optionen sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile klar zu benennen und zu diskutieren.“
Begrüßenswert findet Buck die weitere beabsichtigte Anhebung der CO2-Standards bei PWK. Mit Blick auf die Land- und Forstwirtschaft sieht er ein Potenzial von zwei bis drei Prozent von den 55 angepeilten. Allerdings sei das Ziel nach Einschätzung von Agora Energiewende auch ohne die Mitarbeit der Landwirtschaft zu erreichen. Fest steht für ihn: „Das nun von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Ziel lässt sich nur durch deutlich stärkeren Klimaschutz in allen Lebensbereichen und in allen Sektoren der Wirtschaft erreichen. Die bis heute von den Mitgliedstaaten geplanten Maßnahmen werden nur -41 Prozent Reduktionen bis 2030 liefern.“
Und auch der Geschäftsführer des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM), Simon Schäfer-Stradowsky, findet: „Die Verschärfung ist sehr zu begrüßen, es ist ein wichtiger Schritt für das Erreichen der Pariser Klimaziele. Die Maßnahmen, die wir benötigen, um das Ziel zu erreichen, liegen schon alle auf dem Tisch, wir müssen sie nur entschlossen umsetzen: Dazu zählen etwa die Erhöhung des CO2-Preises in unserem nationalen Emissionshandelssystem oder die Schaffung eines einheitlichen Energierechts, das sich an der Vermeidung und dem Verringern von CO2-Emissionen ausrichtet. Damit würden Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Industrie geschaffen, die die klimafreundliche Produktion von Waren und Gütern fördert anstatt sie zu behindern, Klimaschutz würde zum Wettbewerbsvorteil.“