MDR rätselt über „russischen Osten“ - Ostdeutscher kommentiert: „Das Sagen haben leider die ...“

Autorius: Von Liudmila Kotlyarova Šaltinis: https://de.sputniknews.com/int... 2020-12-01 18:34:00, skaitė 1509, komentavo 0

MDR rätselt über „russischen Osten“ - Ostdeutscher kommentiert: „Das Sagen haben leider die ...“

In zwei längeren Sendungen hat sich der MDR neulich mit dem Russland-Bild der Ostdeutschen befasst, indem er die DDR-Geschichte mit den Geschehnissen um die Ukraine und die Krim ins Spiel bringt.

Der stellvertretene Chef des Vereins für lebensgeschichtliches Erzählen und Erinnern in Berlin, Uwe Trostel, geht für Sputnik der MDR-Erzählung kritisch nach.

So haben die beiden Sendungen das Verhältnis zu Russland zum Gegenstand - mit der Frage, warum wohl die Ostdeutschen besser auf Russland zu sprechen sind als die Westdeutschen. In der Talksendung „Fakt ist“ diskutierten etwa neben Ex-Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Nick, der frühere DDR-Korrespondent der „Aktuellen Kamera“ in Budapest und später für das ZDF in Moskau, Dietmar Schumann, sowie die Bundestagsabgeordnete der Linke, Petra Sitte, ob Russland Freund oder Feind für die Ostdeutschen sei. Der Grundtenor: die Russen würden Verträge, Absprachen und Regeln brechen und der Westen müsse immer wieder reagieren.

Hier hätten noch Westdeutsche dominiert, kommentiert Trostel, selbst Ostdeutscher, gegenüber Sputnik, - diplomatisch extrem korrekt, kalt, unpersönlich, fest überzeugt, dass sie zu den Guten gehören und Russland noch vieles lernen müsse in Bezug auf Vertragseinhaltung und Völkerrecht. Trostel weiter:

„Das Übliche, zwei Maßstäbe, wenn die USA bombardieren und die Welt belügen, dann ist das soweit ganz in Ordnung. Wenn Russland die Krim ‘annektiert’, dann ist das ein großes Verbrechen, gehört bestraft. Die Vorgeschichte wird tunlichst ausgeblendet. Kanonenboote kann man schlechterdings nicht mehr ohne Weiteres schicken, dann eben Wirtschaftssanktionen, denn wirtschaftlich ist man ja hoch überlegen.“

Dafür kamen in der Sendung vom 26. November - „Wie russisch ist der Osten?“ - vor allem Ostdeutsche zu Wort. Die meisten hatten jahrelange ganz persönliche Erfahrungen mit Russland und den Russen. „Und es zeigte sich sofort: alle jene, die Russland und die Russen aus langer gemeinsamer Arbeit kennen, haben eine völlig andere Auffassung zu dem Land und seinen Menschen als jene, die Russen höchstens vom förmlich-diplomatischen Parkett kennen und von tief sitzender Russophobie nicht ganz frei sind“, merkt  Trostel an.

„Das war fern von der großen Politik, das macht auch das ostdeutsche Verhältnis zu Russland aus, dass viele von uns die Russen kennengelernt haben über die Brieffreundschaften, über den kulturellen Austausch, wie ich ihn erlebt habe“, sagt etwa die mecklenburgische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig im Film mit Bick auf die DDR.

Wie können nur Ostdeutsche für eine Annäherung an „Putins Russland“ eintreten?

Die Frage, die für die MDR-Leute ein Rätsel bleibt und sich wie ein roter Faden durch die Erzählung zieht: Wie können etwa 72 Prozent der Ostdeutschen gegen nur 54 Prozent der Westdeutschen laut Umfragen für eine Annäherung an „Putins Russland“ eintreten - „trotz der fortgesetzten Kämpfe in der Ostukraine, trotz der Besetzung der Krim, trotz der Ermordungen von Oppositionellen und Journalisten“? Dazu die Historikerin Silke Satjukow: „Ich glaube nicht, dass die Umfragen so ganz Recht haben, wenn sie sagen, die Mehrheit der Bevölkerung versteht Putins Politik. Ich glaube, dass es für die Ostdeutschen ein Zwiespalt ist. Sie haben eine Vergangenheit und wissen, wie Diktatur sich anfühlt, aber auf der anderen Seite fühlen sie sich den Russen weiterhin eng verbunden. Sie sind Teil ihrer Vergangenheit, ihrer Identität heute, und in diesem Zwiespalt stecken sie.“ Oder der Ex-Ministerpräsident von Brandenburg, seit 2014 Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck: „Im Osten waren die Russen nicht immer beliebt, aber man kannte sie. Wenn man etwas kennt, dann hat man weniger Ängste davor.“

Die Ostdeutschen würden vor einer schwierigen Entscheidung stehen, heißt es weiter in der Sendung. Der Zwiespalt wird angegeben: „Verständnis für Russlands Vorgehen auf der Krim oder Solidarität mit der Ukraine? Verständnis für Putins Amtsführung oder Unterstützung der innerrussischen Opposition?“ Auch sei laut Umfragen nur unter den Ostdeutschen, die 1990 älter als 18 Jahre alt waren, eine positive Sicht auf Russland mehrheitlich verbreitet. Jüngere Ostdeutsche hätten dagegen fast genauso wie die Westdeutschen ein weniger positives Bild über Russland. Weniger als drei Prozent der Schüler in Ostdeutschland würden noch Russisch lernen.

Mit Russland von der Position der Stärke aus umgehen?

Wenn Trostel das Fazit aus beiden Sendungen zieht, muss auch er pessimistisch in die Zukunft blicken. Er selbst hatte seinerzeit die Gelegenheit, für mehrere Jahre Russen, angefangen vom Gouverneur, von Generaldirektoren großer Kombinate bis hin zu den Deshurnajas im Obscheschitje - in den Wohnheimen also - kennen und schätzen zu lernen, ob bei den dienstlichen Aufgaben, beim Schachspielen im Kulturpark oder bei einem Glas Wodka. In vielen Gesprächen hätten ihm die Russen gesagt, dass sie alles daransetzen würden, nicht ein weiteres Mal ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie im Zweiten Weltkrieg. „Solche Erfahrungen fehlen leider denjenigen, die heute die Russland-Politik bestimmen“, bedauert der 79-Jährige. „Das Sagen haben die, die nie ein enges Verhältnis zu Russland hatten.“ Die ehemaligen DDR-Eliten seien, soweit sie sich nicht dem Mainstream angepasst hätten, längst in die geistige Verbannung geschickt worden. Real denkende ostdeutsche Politiker dagegen hätten auch nicht den Ansatz einer Chance, sich gegenüber ihren westdeutschen „Parteifreunden“ in Bezug auf Russland durchzusetzen.

Trostel könne sich hiermit auch sehr gut vorstellen, wie die Aussagen deutscher Spitzenpolitiker, „man müsse mit Russland von der Position der Stärke aus verhandeln“ - kürzlich von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wiederholt - bei russischen Menschen, die das sehr wohl aufmerksam verfolgen, ankomme. Genauso, wenn deutsche Panzer wiederum wenige Kilometer von der russischen Grenze ihre Übungen durchführen würden und die Zwei-Prozent-Diskussion in der Nato weiter zuungunsten Russlands propagiert werde.

Und so bleibt für Trostel als trauriges Fazit: Westeuropa treibt Russland in die Arme Chinas und ist für eine enge Partnerschaft, für die die Russen öfter eingetreten waren, wohl nun für immer verloren.

Uwe Trostel ist stellvertretender Chef des Vereins für lebensgeschichtliches Erzählen und Erinnern in Berlin und ehemaliges Mitglied der DDR-Plankommission. Früher war er bei Sputnik mit einem leidenschaftlichen Appell aufgetreten, angesichts der Corona-Krise über ein neues Verhältnis zu Russland nachzudenken. Außerdem erklärte er zuvor in einem Kommentar für Sputnik, inwiefern das Treuhand-Trauma Ostdeutschlands als Ursprung für dessen andauerndes Zurückbleiben gesehen werden kann. Auch äußerte er in einem Gastbeitrag seine Gedanken zum Fall Nawalny.