Autorius: RT Šaltinis: https://deutsch.rt.com/meinung... 2022-07-13 05:43:00, skaitė 569, komentavo 0
Ein Händler arbeiten auf dem Parkett der New Yorker Börse während des Morgenhandels am 23. Juni 2022 in New York City.
von Thorsten Schulte
Wussten Sie, dass der Preis für Erdgas in Europa seit Anfang 2020 um über 1.300 Prozent gestiegen ist? Noch mal: 1.300 Prozent. In den USA stieg er an der Börse in New York jedoch nur um 183 Prozent seit Anfang 2020. In Europa hat sich der Preis also vervierzehnfacht und in den USA noch nicht einmal verdreifacht. Noch deutlicher fällt der Vergleich seit dem 8. Juni 2022 aus. Bis heute ist der Preis für Erdgas in Europa um weitere 113 Prozent gestiegen, aber in den USA, an der New Yorker Börse ist er um 28 Prozent gefallen. Jeder kann diese Entwicklungen überprüfen, anhand von Charts der US-Nachrichtenagentur Bloomberg.
Die Erdgas-Preisexplosion in Europa
US-Präsident Joe Biden sagte beim G7-Gipfel Ende Juni: "Was kann Russland aushalten und was ist Europa bereit auszuhalten?" Richtig, denn die USA müssen nichts davon "aushalten". Europa und vor allem Deutschland und Russland müssen was aushalten, nicht Nordamerika. Die US-Elite lacht sich praktisch ins Fäustchen.
Die jüngste Entwicklung des Erdgaspreises an der New Yorker Börse
Und ja: die Gaspreise explodieren in Europa beispiellos. Selbst die Bild klagt nun, wie die Bürger das bezahlen sollen. Die Politiker wollen ja nun die Schwächsten – vielleicht – schützen: mit einer Gaspreisobergrenze. Nun gut. Aber viel wichtiger: Wie soll denn die deutsche Wirtschaft das aushalten? Der deutsche Mittelstand? Selbst der BASF-Chef, von dem deutschen Chemiekonzern schlechthin, warnte bereits im März davor, dass das gesamte Werk von BASF in Ludwigshafen stillgelegt werden müsste – ohne russisches Erdgas. Wir reden über den weltgrößten Chemiestandort, der allein bereits für rund 3,7 Prozent des gesamten deutschen Erdgasverbrauchs steht.
Die deutsche Wirtschaft war bereits 2020 mit den höchsten Strompreisen der Welt konfrontiert, die jetzt aber auch nochmals kräftig zulegen. Übrigens hatten "wir" Ende 2021 drei Atomkraftwerke abgeschaltet, Ende 2022 folgen weitere drei, die letzten drei. Tja, und Ursula von der Leyen, die EU-Kommissionspräsidentin, postete am 30. Juni, sie sei sehr erfreut, verkünden zu können, dass nun die Ukraine Atomstrom in die Europäische Union liefern könne:
Deutsche Politiker, wacht endlich auf! Lasst Euch nicht vor den Karren der USA spannen, die nichts auszuhalten haben. Beendet die Unvernunft deutscher Politik schnellstens, bevor uns das alles um die Ohren fliegt.
Um es ganz deutlich zu sagen – und ich hätte nicht gedacht, mal in einem Punkt so zum Merkel-Fan zu werden: Es war volkswirtschaftlich, ökonomisch völlig richtig, preiswertes russisches Erdgas zu nutzen. Merkel hat da den richtigen Kurs gesteuert. Die Wirtschaft konnte dank des russischen Erdgases, welches immer – selbst im Kalten Krieg – verlässlich von dort geliefert wurde, sehr konkurrenzfähig auf den Weltmärkten zum Exportweltmeister werden. Im April 2016 hatte Deutschland in seiner Handelsbilanz noch einen Überschuss in Höhe von 23,3 Milliarden Euro. Wir haben also viel mehr Waren an das Ausland verkauft (exportiert), als aus dem Ausland eingekauft (importiert). Noch im vergangenen Juli 2021 waren es über 17 Milliarden Euro Überschuss. Jetzt, im Mai 2022, waren es minus 1 Milliarde Euro! Seit Mitte 1991 gab es niemals ein Minus in der Außenhandelsbilanz – jetzt aber ist Schluss mit lustig für Deutschland.
Die jüngste Entwicklung des Wechselkurses Euro/US-Dollar und der deutschen Außenhandelsbilanz
Oskar Lafontaine, Ex-SPD-Chef und Mitgründer der Linkspartei, aus der er inzwischen austrat, hat treffend vor wenigen Tagen in Facebook geschrieben:
"Deutsche Politiker wollen nicht begreifen, obwohl es US-Strategen immer wieder sagen, dass die US-Politik seit 100 Jahren das Ziel hat, das Zusammengehen von deutscher Technik und russischen Rohstoffen zu verhindern. Es ist logisch: Das erklärte Ziel, die einzige Weltmacht zu bleiben, verlangt, dass man nicht nur die chinesische oder russische, sondern auch die deutsche und europäische Wirtschaft schwächt, damit keine Konkurrenz zu stark wird. Damit das funktioniert, braucht man Politiker, die dumm genug sind, diese Strategie nicht zu durchschauen und zu unfreiwilligen Helfern dieser Politik werden."
Ich empfehle allen dringend, die das hier lesen, hören oder sehen, einen Beitrag des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Graham E. Fuller zu lesen, den die NachDenkSeiten übersetzt und am 1. Juli mit dem Titel "Wann endlich erwacht Europa?" veröffentlicht haben. Daraus einige wichtige Sätze:
"Die amerikanischen Sanktionen gegen Russland haben sich für Europa als weitaus verheerender erwiesen als für Russland."
"Es gibt bereits tiefe Risse in der europäischen Fassade der sogenannten 'NATO-Einheit'. Westeuropa wird zunehmend den Tag bereuen, an dem es dem amerikanischen Rattenfänger blindlings in den Krieg gegen Russland gefolgt ist.
Im Gegensatz zu optimistischen Erklärungen könnte auch die NATO am Ende echt geschwächt daraus hervorgehen. Die Westeuropäer werden lange und gründlich über die 'Weisheit' und die hohen Kosten nachdenken, die mit der Provokation tieferer, langfristiger Konfrontationen mit Russland oder anderen 'Konkurrenten' der USA verbunden sind.
Europa wird früher oder später zum Kauf von preiswerter russischer Energie zurückkehren. Russland liegt vor der Haustür, und eine natürliche Wirtschaftsbeziehung zu Russland wird letztlich von überwältigender Logik sein.
Europa nimmt die USA bereits als eine im Niedergang begriffene Macht mit einer unberechenbaren und heuchlerischen außenpolitischen 'Vision' wahr, die auf der verzweifelten Notwendigkeit beruht, die 'amerikanische Führungsrolle' in der Welt zu erhalten. Amerikas Bereitschaft, zu diesem Zweck Krieg zu führen, ist für andere Staaten aber zunehmend gefährlich."
Dies sind nur einige der wesentlichen Sätze dort.
Und noch einmal zum Mitschreiben: Es ist der Westen, es sind hauptsächlich die USA, Kanada und die Europäische Union, die für den Raub der russischen Währungsreserven stehen. Ungefähr die Hälfte dieses Vermögens ist eingefroren. Der Westen versucht, Russland auch in den Staatsbankrott zu treiben. Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg schrieb kürzlich:
"Bisher hat es Moskau immer wieder geschafft, die Beschränkungen zu umgehen und seine internationalen Schulden zu bedienen, aber das wird sich nun wohl ändern, nachdem die USA einen weiteren Pfad zu den Gläubigern geschlossen haben."
Angenommen, man nimmt euch eure Möglichkeit von Geldtransfers an andere Menschen, die euch etwas verkaufen, oder man stiehlt euch noch all euer Geld bei ausländischen Banken. Genau das hat man nämlich jetzt mit den Russen gemacht und ihre Währungsreserven im Ausland beschlagnahmt. Ihr könnt dann gegebenenfalls Eure Kredite einfach nicht mehr bezahlen – und folglich erklärt man euch für bankrott. Was kann dann euer Gläubiger, dem ihr Geld schuldet tun? Er kann euer sonstiges Eigentum, euer Haus, euer Auto pfänden, beschlagnahmen lassen.
Bloomberg berichtet in diesem Artikel, dass – wenn Russland jetzt nicht mehr die Zinsen auf Anleihen zahlen kann, weil ihren die Zahlungsmöglichkeit fehlt – dass dann russische Vermögenswerte weltweit beschlagnahmt werden könnten. Wörtlich heißt es: "Investoren müssten nach Werten wie Flugzeugen, Aktienbesitz, Immobilien und Bankkonten des russischen Finanzministeriums suchen und sie in Ländern finden, in denen ein Urteil eines englischen oder US-amerikanischen Gerichts vollstreckt werden kann."
Wie würdet Ihr reagieren, wenn ihr praktisch dieses Russland von heute wärt? Ich will ganz eindeutig erklären – auch wenn man sich damit bei der deutschen Politik und den deutschen Medien Zorn zuzieht: Der russische Präsident Putin hat sehr besonnen auf die Hetze gegen ihn und sein Land, auf all die räuberischen Maßnahmen und Sanktionen gegen Russland reagiert. Hätte er Deutschland und die gesamte Europäische Union im März nach diesen Schritten mit einem Öl- und Erdgaslieferstoff konfrontiert, wäre wohl schnell das Chaos ausgebrochen. Jeder möge die Reaktion Putins hinterfragen. Wäre er der gemeingefährliche Despot, hätte er doch genau das getan. Wird hier also ein Feindbild von westlichen Medien entworfen, welches nichts, aber auch rein gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat? Für mich lautet die Antwort: JA!
Der ehemalige Bundeswehrgeneral Gerd Schultze-Rhonhof zitierte unlängst den alten deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck, der gesagt habe:
"Ewigen Frieden hat man durch Interessenausgleich, aber nicht dadurch, dass man seine Interessen durchsetzt."
Wie wahr! Ich fordere uns Deutsche auf, für einen Interessenausgleich, für die Rückkehr der Vernunft einzutreten. Auf der letzten Seite meines Buches "Fremdbestimmt" schreibe ich u. a.:
"Der in Deutschland vom Mainstream verhasste ehemalige Wahlkämpfer Donald Trumps, Steve Bannon, sagte im Mai 2019: 'Russland ist ein natürlicher Verbündeter, um den gesamten Westen zu vereinen.' Wohin die Sanktionen der EU gegen Russland im Jahr 2014 führten, zeigte ich Ihnen. Horchen wir Deutschen bei solchen Gedanken bitte auf und lernen wir aus der Geschichte. Wie sagte der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck noch? 'Deutschland und Russland ist es früher immer schlecht gegangen, wenn sie Feinde waren, aber gut, wenn sie Freunde waren.'"
Für die Rückkehr der Vernunft müssen wir alle gemeinsam arbeiten.
Thorsten Schulte ist eine Stimme der Vernunft zu Wirtschaft und Politik in Europa. Er ist der Autor von Büchern wie "Kontrollverlust – Wer uns bedroht und wie wir uns schützen" (Spiegel-Bestseller Platz 1 mit Vorwort von Willy Wimmer) und "Fremdbestimmt: 120 Jahre Lügen und Täuschung", redet Tacheles, deckt auf, klagt an und entwirft einen besseren Weg für Deutschland.