Uber und das Taxisterben: Das kriminelle Treiben einer US-amerikanischen Firma in Deutschland

Autorius: Ano Šaltinis: https://www.anonymousnews.org/... 2023-01-12 18:17:00, skaitė 388, komentavo 0

Uber und das Taxisterben: Das kriminelle Treiben einer US-amerikanischen Firma in Deutschland

Kriminell und US-amerikanisch: Das unternehmen Uber rotttet die deutsche Taxibranche aus

Uber schreibt ausschließlich rote Zahlen, doch erfreut sich der Fahrtenvermittler seit langem namhafter Geldgeber von Google bis BlackRock. Das kriminell agierende US-Unternehmen hat auch in Deutschland Fuß gefasst und hierzulande ein gigantisches „Taxisterben“ angestoßen. Regeln und Gerichtsurteile werden kreativ interpretiert, während Behörden und Medien ihren Kontrollfunktionen kaum bis gar nicht nachkommen. Warum darf Uber ungestraft so vorgehen?

von Rumen Milkow

Uber ist ein börsennotiertes US-amerikanisches Vermittlungsunternehmen mit Sitz in San Francisco und einer europäischen Zentrale in Amsterdam, das weltweit Online-Vermittlungsdienste vor allem zur Personenbeförderung anbietet. Zu den Investoren von Uber gehören zahlreiche große Finanzunternehmen wie The Vanguard Group, Morgan Stanley und Blackrock sowie GooglePayPal und Toyota.

Im Juli dieses Jahres hat der Whistleblower Mark McGann dem englischen Guardian mehr als 120.000 vertrauliche Unterlagen von Uber aus den Jahren 2013 bis 2017 zugespielt, die seither als „Uber Files“ bekannt sind, und die vieles von dem bestätigten, wovon zuvor schon viele in der Branche ausgegangen waren: dass es bei Uber nicht mit rechten Dingen zugeht. Aber bereits jetzt ist der Tenor nicht nur in Deutschland der, dass dies schon lange her und nun alles ganz anders sei.

Mark MacGann, der von 2014 bis 2016 für das Unternehmen als Cheflobbyist in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika tätig war, sagte über seinen Job bei Uber im Rückblick: „Wir haben den Leuten in Wirklichkeit eine Lüge verkauft.“ Seitens Uber ist zu vernehmen, dass das nun durch die „Uber Files“ aufgedeckte Geschäftsgebaren „unentschuldbar“ sei. Eine Entschuldigung blieb dementsprechend aus, vielmehr bittet das Unternehmen darum, danach beurteilt zu werden, was man seither getan habe.

Es ist das Anliegen dieses Beitrags, Uber beim Wort zu nehmen und das Agieren des Unternehmens in den letzten fünf Jahren zu untersuchen. Auch weil sich an der Feststellung aus den „Uber Files“, „Wenn wir Deutschland verlieren, verlieren wir Europa“, nichts geändert haben dürfte, soll es dabei vor allem um Deutschland und die deutsche Hauptstadt gehen.

Marktdominanz und/oder Datenzugriff?

Da das Unternehmen seit seiner Gründung 2009 nur rote Zahlen schreibt (bis zum Börsengang 2019 hatte Uber Presseberichten zufolge bereits mehr als 10 Milliarden US-Dollar Verlust gemacht), stellt sich die Frage, warum die zahlreichen Geldgeber weiterhin in das Unternehmen investieren. Die Vermutung liegt nahe, dass es Uber und seinen zahlreichen Shareholdern nicht wie behauptet um eine Revolution der Personenbeförderung geht, sondern um eine langfristige globale Marktdominanz, um irgendwann die Preise diktieren zu können.

Vielleicht geht es dem Unternehmen an erster Stelle sogar um die Daten, die weiterhin fleißig gesammelt werden, sowohl von Fahrgästen, darunter auch viele Prominente, als auch von Fahrern. Wozu sie eines Tages verwendet werden könnten, beispielsweise das Wissen darüber, welcher Uber-Fahrgast sich zu einem One-Night-Stand fahren ließ, darüber kann heute nur spekuliert werden.

„Der Zugang zur Macht ist nichts, was demokratisiert ist“

Das wichtigste Detail der Geschäftspraxis von Uber, das in der Berichterstattung aber untergegangen ist, sind möglicherweise die „gemütlichen Netzwerke“ („cozy networks“), wie der Whistleblower sie in seinem Interview mit dem Guardian nennt, die es seiner Erfahrung nach schon lange gibt, die immer wieder ihre Formen verändern, und bis heute existieren. Mark MacGann, der immer noch überrascht ist, wie leicht es für ihn war, an die Mächtigen heranzukommen, fasste seine persönlichen Erfahrungen als Cheflobbyist so zusammen: „Der Zugang zur Macht ist nichts, was demokratisiert ist.“

Während meiner Recherche musste ich erfahren, dass auch der Zugang zu Informationen alles andere als demokratisch ist. Von den sieben von mir kontaktierten deutschen Journalisten vom NDR und Süddeutscher Zeitung, die sich mit den „Uber Files“ befassen, erhielt ich keine Antwort. Auf meine Anfrage beim Guardian (dort hatte ich fünf Journalisten angeschrieben) meldete sich immerhin ein Kollege, der mir mitteilte, dass man anderen Nachrichtenorganisationen keinen informellen Zugang zu „unseren Daten“ gewähren würde. Nur, die „Uber Files“ sind nicht Ergebnis einer investigativen Recherche. Sie wurden den Journalisten vom Whistleblower zugespielt und werden von ihnen lediglich ausgewertet.

Ich wollte herausfinden, inwieweit die Gesetzesänderung, die im Sommer 2017 in Kraft trat, nach der Krankenwagen- aber auch Mietwagenfahrer keiner Ortskunde mehr bedürfen, der Lobbyarbeit von Uber geschuldet war. Das Unternehmen hat zwischen 2014 und 2017 alleine in Deutschland vier Agenturen engagiert und mehr als 150.000 Euro im Monat für sie ausgegeben. Die Frage ist deswegen von Relevanz, weil ohne diese Gesetzesänderung das Unternehmen niemals innerhalb so kurzer Zeit so viele Fahrer hätte rekrutieren können, insbesondere nicht in Berlin, wo die Ortskundeprüfung selbst für Krankenwagen- und Mietwagenfahrer sehr anspruchsvoll war. Was für Uber gut ist, kann für einen Patienten zur Falle werden. Für ihn kann ein Fahrer ohne Ortskenntnisse den Tod bedeuten. Das sage ich auch als ausgebildeter Krankenpfleger, der selbst schon einmal Krankenwagen in Berlin gefahren ist.

Kein Interesse an Rundem Tisch

Meine persönliche Erfahrung als taxifahrender Radiomoderator in der Zeit nach 2017 sah so aus: Zu meiner Sendung „Hier spricht TaxiBerlin“ zum Thema „Uber“ am 5. April 2018 hatte ich zu einem Runden Tisch ins Studio vom unabhängigen Berliner „Pi-Radio“ eingeladen. Vertreter der Berliner Taxi-Innung und von „Taxi Deutschland“ (über dessen Vorstände ließ laut „Uber Files“ das Unternehmen 2014 ein Dossier anlegen), ein Taxiunternehmer und die Berliner „Taxi-Anwältin“ Alexandra Decker waren der Einladung gefolgt. Ebenso der Wirtschaftsjournalist Steven Hill aus dem Silicon Valley. Von ihm war kurz zuvor ein Artikel im Handelsblatt mit dem Titel „Ubers neues Fahrdienstmodell sollte reguliert werden“, denn „ohne Regulierung wirkt es zerstörerisch“, erschienen. Auch sein Buch „Die Start-up-Illusion: Wie die Internet-Ökonomie unseren Sozialstaat ruiniert“ beschäftigt sich mit dem Thema „Uber“.

Berliner Politiker, Vertreter der zuständigen Kontroll-Behörden sowohl in Berlin, als auch im Umland, Uber-Fahrer und der Mietwagenunternehmer Thomas Mohnke, seit einiger Zeit Uber-Generalunternehmer in Deutschland (von ihm wird später noch die Rede sein), hatten allesamt abgesagt. Uber in Berlin hat gar nicht erst auf meine Einladung reagiert. Und dass, obwohl das Angebot des Runden Tisches bereits in die Zeit fiel, in der nach eigenen Angaben bei Uber alles mit rechten Dingen zugegangen sein soll.

Steven Hill sagte in dem Interview, dass Uber mit jedem Tag so viel Geld verliert, wie kein Start-up jemals zuvor. Er bestätigte, dass Uber ganz klar das Ziele verfolgt, ein Monopol zu errichten, um dann die Preise diktieren zu können. Hill sagte voraus, dass Uber auch versuchen würde, uns, die wir mit ihm im Studio saßen, aus dem Geschäft herauszudrängen. Er sollte Recht behalten. Keine zwei Jahre später war ich arbeitslos. Hill sprach auch darüber, dass Uber in den USA bereits das Taxigeschäft kaputt gemacht habe und erwähnte in diesem Zusammenhang Suizide von Taxifahrern. Im Jahre 2018 hatten sich alleine in New York acht professionelle Fahrer das Leben genommen.

Erst ignorieren …

Ein „Höhepunkt“ des unternehmerischen Agierens von Uber in Europa in der Zeit nach 2017 war zweifellos der Umstand, dass man im Oktober 2019 in der europäischen Zentrale in Amsterdam einen Brief nicht annehmen konnte, weil dieser in deutscher Sprache verfasst war. Nach eigenen Angaben war niemand in der Uber-Zentrale der deutschen Sprache mächtig – für ein international agierendes Unternehmen eher ungewöhnlich. Der Brief enthielt eine einstweilige Verfügung des Landgerichtes Köln, laut der Uber seine App nicht mehr zur Mietwagenvermittlung in Deutschland einsetzen darf, die das Unternehmen damit ignorierte. Man fuhr einfach weiter.

… dann die „frohe Botschaft“

Mit einem ähnlich lautenden Urteil des Landgerichtes in Frankfurt vom 19. Dezember 2019, das im April 2022 vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt wurde, nachdem bereits im Mai 2021 das Oberlandesgericht in Frankfurt die Berufung von Uber abgelehnt hatte, verhielt es sich anders. Das konnte gelesen und auch sogleich umgesetzt werden, praktisch übers Wochenende, denn der Tag der Urteilsverkündung war ein Donnerstag. Nur vier Tage später, am Montag den 23. Dezember 2019, dem Tag vor Heiligabend, ließ Uber über die Medien die „frohe Botschaft“ verkünden.

Eine Überprüfung der als Fakten verkündeten Informationen in den Medien? Fehlanzeige! Die Rede ist immerhin von der ZEIT („Uber ändert nach Urteil Vorgehensweise in Deutschland“), der Süddeutschen Zeitung („Uber schafft für deutsche Kunden mehr Transparenz“), der Frankfurter Allgemeinen („Uber passt sich an“) und dem Handelsblatt („Gerichtsurteil zwingt Uber zu deutlichen Veränderungen in Deutschland – Uber hat sein Vermittlungsmodell in Deutschland geändert. So will der Konzern das Gerichtsurteil umgehen. Die Kunden sollen von den Änderungen wenig spüren.“).

Gerichtsurteile umgehen

Seither gilt Ubers Geschäftsmodell als gesetzeskonform. Dass das Unternehmen trotzdem Berufung gegen das Urteil eingelegt hat, kann man als Ablenkungsmanöver und ein Spiel auf Zeit sehen. Den späteren Gerichtsurteilen schenkte das Unternehmen jedenfalls keine Beachtung mehr, ebenso wie die Behörden und die meisten Medien. Nur das Handelsblatt schien damals den Schwindel bemerkt zu haben, als es von „das Gerichtsurteil umgehen“ schrieb. Man kann „das Gerichtsurteil umgehen“ auch als Täuschung oder gar Betrug verstehen. Zweifel sind auf jeden Fall angebracht.

Sowohl das Landgericht, als auch das Oberlandesgericht und am Ende selbst das höchste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof, sahen Uber als Dienstleister und nicht als bloßen Vermittler an. Ginge es nach hiesigen Gerichten, muss Uber, um gesetzeskonform zu sein, eigene Lizenzen beantragen, Niederlassungen vor Ort gründen und damit auch Steuern in Deutschland bezahlen. All dies ist nicht geschehen. Warum eigentlich nicht?

Hilf deiner Behörde – überprüfe dich selbst

Geht es nach Uber, gab es eine alte Version seiner App, die illegal war und deswegen zu Recht von den Gerichten beanstandet wurde, die aber sofort nach der Urteilverkündung so verändert wurde, dass sie nunmehr legal sein soll. Nur, überprüft hat das weder ein ordentliches Gericht, noch ein unabhängiger Sachverständiger, sondern nur Uber selbst. Praktisch so, als hätte der Gutachter beim TÜV eine Mängelliste erstellt, die der Autohalter nicht nur selbst abarbeitet, sondern auch noch selbständig die Abnahme übernimmt.

Ganz so ist es bei Uber natürlich nicht. Das Unternehmen hat eine „juristisch fundierte Grundlage“. Der Bitte von Multipolar, diese „juristisch fundierte Grundlage“ für das Agieren des Unternehmens einsehen zu können, wurde von Uber allerdings nicht entsprochen. Auch hier ist der Zugang zu Informationen alles andere als demokratisch. In Berlin teilt das Unternehmen seine Eigeneinschätzung immerhin mittels Werbung mit: „Uber ist Fahrtenvermittler, nicht selbst Beförderer.“ Aber stimmt das wirklich?

Sowohl das Landgericht Frankfurt, als auch das Oberlandesgericht Frankfurt, konnte auf Nachfrage von Multipolar dazu nichts sagen, da beiden die aktuelle Geschäftspraxis des Unternehmens nicht bekannt ist. Die Pressesprecherin des Oberlandesgericht schrieb dazu wörtlich: „Eine Geschäftspraxis wird gerichtlich überprüft, wenn ein Wettbewerber oder Wettbewerbsverband ein entsprechendes gerichtliches Verfahren einleitet. Ob, wenn ja, welche unternehmensinternen Prüfungen erfolgen, entzieht sich naturgemäß meiner Kenntnis.“ Uber hatte beim Landgericht eine übliche Sicherheitsleistung, allerdings in Höhe von zehn Millionen Euro beantragt. Dem Gericht genügten damals „nur“ 150.000 Euro von Taxi Deutschland, dem Kläger.

Warten auf gerichtliche Entscheidungen

Laut eigenen Angaben ist Uber in 14 deutschen Städten aktiv: Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Frankfurt am Main, Mainz, Wiesbaden, Bergisch Gladbach, Leverkusen, Neuss und Essen. Multipolar hat sie alle kontaktiert und die allermeisten von ihnen haben bestätigt, dass sie davon ausgehen, dass Uber ausschließlich Vermittler sei und dieser Sachverhalt somit nicht untersucht wird.

Nur in Wiesbaden wird gerade ein Konzept für Kontrollen erarbeitet, und in Berlin werden die aktuellen Geschäftsmodelle sowie die vertraglichen Beziehungen zwischen den Vermittlern und den ausführenden Mietwagenunterunternehmen untersucht. In Düsseldorf wartet man ab, ob weitere Gerichte das jetzige Modell juristisch als Vermittler qualifizieren oder Uber wieder als Beförderer einstufen. Eine gerichtliche Überprüfung scheint der Stadt zum jetzigen Zeitpunkt sogar sehr wahrscheinlich.

Kaum Kontrollen

Noch unterschiedlicher sieht es bei der Kontrolle der Rückkehrpflicht aus, die bis heute gilt, und die besagt, dass ein Mietwagen sich unmittelbar nach jedem Auftrag zurück zum Betriebssitz begeben muss. Während Verstöße gegen die Rückkehrpflicht für die Stadt Leverkusen ein generelles Problem sind, hat die Stadt Frankfurt am Main wegen Corona in den letzten beiden Jahren gänzlich auf Kontrollen verzichtet. In Wiesbaden erhält nur der Fahrer bei Verstoß gegen die Rückkehrpflicht ein Bußgeld von 150 Euro. In Düsseldorf wurden einem Mietwagenunternehmer dafür schon mal die Konzessionen entzogen.

Dabei handelt es sich um stichpunktartige Kontrollen, für die jeweils nur wenige Personen zur Verfügung stehen. In Berlin sind dies laut Taxi-Times keine 20 Leute, die für fast 10.000 Taxen und Mietwagen zuständig sind. In der Stadt Duisburg sind es ganze drei. Die Kontrolle der Rückkehrpflicht ist wichtig, weil man davon ausgehen kann, dass sich bei ihrer Einhaltung das Geschäft für die Mietwagenunternehmer nicht mehr lohnt.

Bisher wurde auch von Behörden immer wieder behauptet, man könne die Rückkehrpflicht nicht flächendeckend kontrollieren. Dem wurde nun auch ganz offiziell widersprochen. Auf Nachfrage von Multipolar teilte die zuständige Berliner Senatsverwaltung mit, dass Wegstreckenzähler (viele der Berliner Mietwagen haben aufgrund einer Ausnahmegenehmigung noch nicht einmal einen solchen an Bord) in Ermangelung der Aufzeichnung von georeferenzierten Daten keine geeignete Datenquelle dafür bieten.

Auch die Stadt Hamburg bestätigt, dass die Daten eines Wegstreckenzähler faktisch keine Relevanz haben, denn die maßgeblichen Informationen fehlen, allen voran die Messung der Fahrstrecke zur Ermittlung des Fahrpreises. Für die Stadt Hamburg sind Daten aus den Wegstreckenzählern deswegen lediglich von Sekundärinteresse.

In der Hansestadt gibt es aktuell 2.702 Taxen und 387 Mietwagen, von denen aber nur etwa 30 für Uber oder ähnliche Plattformen fahren. In Berlin sind es dagegen 5.539 Taxen und 4.061 Mietwagen, die nahezu ausnahmslos für Uber & Co fahren. In Hamburg stellen Verstöße gegen die Rückkehrpflicht schwere Verstöße gegen die personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften dar. Demensprechend wird dort jeder Anzeige nachgegangen, was der Grund dafür sein dürfte, warum in der Hansestadt kaum Mietwagen für Uber & Co fahren, einfach weil es sich bei Einhaltung der Rückkehrpflicht nicht lohnt.

Der Preis ist heiß

Zurück zu der Frage, ob Uber bloßer Vermittler oder doch Anbieter der Dienstleistung ist. Ein Indiz, das darauf hinweist, wer der Dienstleister ist, ist der Preis der Dienstleistung. Auf Anfrage, wer den Preis einer Uber-Fahrt bestimmt, erhielt Multipolar von Thomas Mohnke, Geschäftsführer der Mietwagenfirma Safedriver und nun auch Generalunternehmer von Uber in Deutschland, folgende Antwort: „Der Fahrpreis wird auf der Grundlage des Preisgerüstes technisch berechnet.“ Im Handelsblatt vom 23.12.2019 liest es sich so: „Formal legt Safedriver künftig auch die Preise fest – will aber in der Realität die von Uber gestellte Technik dafür nutzen.“

Was hier mit „auf der Grundlage des Preisgerüstes technisch berechnet“ beziehungsweise „in der Realität die von Uber gestellte Technik dafür nutzen“ umschrieben wird, könnte rein praktisch bedeuten, dass der Fahrpreis weiterhin von Uber festgelegt wird. Die Frage an Mohnke, wer die eingesetzte Technik programmiert und damit den Preis bestimmt – Uber oder die Mietwagenfirma? – blieb zunächst unbeantwortet. Ebenso die Frage, wie sich der Preis berechnet. Dass dies jetzt ein Betriebsgeheimnis sein soll, ist insoweit verwunderlich, als diese Frage von Uber, solange das Unternehmen noch den Preis gemacht hat, immer gerne beantwortet wurde, und zwar mit „Surge Pricing“ und dem berühmten „Uber-Algorithmus“.

Zweiter „Mövenpick-Skandal“ der FDP – fast

Auf Nachfrage gab Mohnke an, dass nicht Uber sondern er den Preis einer von Uber vermittelten Fahrt bestimmen würde. Wieviel er davon als Uber-Generalunternehmer pro Fahrt bekommt, wollte er auch auf Nachfrage nicht verraten. In Deutschland gibt es einen Generalunternehmer üblicherweise auf dem Bau, wo er gewöhnlich zwischen 10 und 15 Prozent kassiert. Man kann also davon ausgehen, dass auf die 25 Prozent Minimum für Uber und die 19 Prozent Mehrwertsteuer für Mietwagen noch einige Prozente für den Generalunternehmer draufkommen, so dass unterm Strich für den Mietwagenunternehmer weniger als 50 Prozent vom Umsatz bleiben. (Zum Vergleich: Einem Taxiunternehmer, der nur sieben Prozent Mehrwertsteuer bezahlt, bleiben fast 90 Prozent, selbst wenn man die Kosten für die Funkzentrale berücksichtigt.)

Nun erscheint eine Parteispende an die FDP im Wahljahr 2017 über 300.000 Euro von der Holding „Ceterum“, zu der bald darauf das Mietwagenunternehmen Safe Driver und Geschäftsführer Thomas Mohnke als Generalunternehmer von Uber in Deutschland gehörte, in einem anderen Licht. (Die Spende der Holding, namentlich durch Dr. Lutz Helmig, war gemeinsam mit einer weiteren Zuwendung in gleicher Höhe die höchste Einzelspende an die FDP in 2017.) Denn Anfang vergangenen Jahres brachte die FDP einen Änderungsantrag in den Bundestag ein, der vorsah, dass auch Mietwagenfirmen nur sieben Prozent Mehrwertsteuer zahlen sollen. Auch wenn der Antrag der FDP keinen Erfolg hatte, so ähnelte der Vorgang nicht nur dem „Mövenpick-Skandal“ des Jahres 2010, sondern darüber hinaus hätte man mit den „gesparten“ 12 Prozent Mehrwertsteuer auch den Generalunternehmer bezahlen können.

Nichts Genaues weiß man nicht

Zusammengefasst: Es ist immer noch ungeklärt, ob Uber nicht weiterhin eine Lüge verkauft, denn ein unabhängiges Urteil eines ordentlichen Gerichtes darüber, ob die aktuellen App gesetzeskonform ist, gibt es nicht. Auch dass der Generalunternehmer den Preis macht und nicht weiter Uber, müsste erst noch bewiesen werden. Bisher sieht es eher nach einer Strohmannkonstruktion aus, mit der man „das Gerichtsurteil umgeht“, so wie es im Handelsblatt stand. Hinzu kommt die Rückkehrpflicht, die mangels Daten – hier fehlen sie dann plötzlich – nicht wirklich kontrolliert werden kann.

Von den möglichen unsauberen Abrechnungen im Mietwagenwerbe ist dabei noch nicht die Rede gewesen. Angesichts des nicht unerheblichen finanziellen Drucks scheinen sie mehr als nur wahrscheinlich – auch weil handfeste Daten in der Form, wie es sie im Taxigewerbe gibt, im Mietwagengewerbe nicht existieren, ganz einfach weil es kein Messgerät wie im Taxi gibt, das einen verbindlichen Zusammenhang zwischen der Fahrstrecke und dem Fahrpreises aufzeichnet, da dieser im Vorhinein festgelegt wird. Die vorhandenen Daten können nur auf Plausibilität und Glaubwürdigkeit geprüft werden.

Wann kommt das Mietwagen-Gutachten?

Ein im Juli 2016 veröffentlichtes vernichtendes Gutachten über das Berliner Taxigewerbe kann heute möglicherweise 1:1 auf das Mietwagengewerbe übertragen werden. Ein aktueller Fall in Berlin, wo ein illegaler Mietwagenunternehmer mit 160 Fahrzeugen in sieben Monaten 100.000 Fahrten für Uber & Co ausgeführt hat, deutet darauf hin. Bisher wurde er aber nicht zum Anlass genommen, ein Gutachten über das Mietwagengewerbe in Auftrag zu geben, obwohl eine verbesserte Datenerfassung für dieses frühestens für 2024 vorgesehen ist. In Berlin führte das Taxi-Gutachten seinerzeit dazu, dass innerhalb nur eines halben Jahres manipulationssichere Fiskaltaxameter verpflichtend eingeführt wurden. Es geht also – wenn man will.

Woran es liegen könnte, dass man im Falle von Uber nicht wirklich will, dazu muss man nicht die vom Uber-Whistleblower erwähnten „gemütlichen Netzwerke“ bemühen, auch wenn es diese seiner Meinung nach immer noch gibt. Alleine die technische und auch die personelle Ausstattung der Behörden scheint alles andere als ausreichend und auf dem neuesten Stand zu sein. So verstehe ich auch den Hinweis der zuständigen Berliner Behörde auf eine Nachfrage von mir, dass für einen Artikel inzwischen mehr als genug Stoff vorhanden sein dürfte. Die ausführlichen und zeitnahen Antworten der Hamburger Behörde waren eine erfreuliche Gegenerfahrung, aber auch eine Ausnahme.

Die Medien – ein Trauerspiel

Zum Schluss ein Wort zu den hiesigen Medien, in denen nicht nur die Auswertung der „Uber Files“ ins Stocken geraten ist, sondern auch die Recherche über die Zeit danach eingestellt wurde, wenn es sie überhaupt gegeben hat. Als exemplarisches Beispiel soll dafür der Artikel „Endgegner: Personenbeförderungsgesetz“ in der Süddeutschen Zeitung vom 10. Juli 2022 dienen. Es geht in ihm um die Novelle des Personenbeförderungsgesetz im vergangenen Jahr, also klar nach den „Uber Files“, die unter dem Label „Modernisierung“ firmierte, und in deren Zuge Änderungen vorgenommen wurden, „für die Uber gekämpft hatte“. Wie genau dieser „Kampf“ aussah, ob Lobbyismus im Spiel war, Uber gar an den Gesetzesänderungen mitgeschrieben hat, was naheliegend ist, das erfährt der Leser der Süddeutschen leider nicht.

Dafür immerhin, dass die Ortskundeprüfung nun auch für Taxi-Fahrer abgeschafft wurde. Auch dies ein erklärtes Ziel von Uber, dass kein Fahrer mehr nachweisen muss, dass er sich in seiner Stadt auskennt, also genau das, was seit 2017 bereits für Krankenwagen- und Mietwagenfahrer gilt. Laut Süddeutscher sollen nun selbst ortskundige Fahrer immer mit Navi fahren müssen. Immerhin würde damit feststehen, dass die Daten, die den Behörden fehlen und mit deren Hilfe Uber beispielsweise herausfinden konnte, welcher Fahrgast sich zu einem One-Night-Stand fahren lies, nun garantiert und von allen vorhanden sind, und zwar im Navi, das nun jeder Fahrer benutzen muss. Sie, die Daten, müssten den Behörden nur „zugespielt“ werden.

Auswärtige Medien sind kaum besser. Nur zwei Tage nach Bekanntwerden der „Uber Files“ behauptete die Neue Zürcher Zeitung immer noch, dass Uber das Transportwesen revolutioniert hätte, obwohl die frühere Leiterin des „Department of Transport“ in New York, Jeanette Sadik-Kahn, bereits 2018 festgestellt hatte, dass Unternehmen wie Uber nicht die versprochene Revolution der Mobilität sind. Ganz im Gegenteil, wenn man an die weltweiten Uber-Staus, den ruinierten ÖPNV, die „Sharing-Lüge“, die sich selbst ausbeutenden Uber-Fahrer und nicht zuletzt an die Suizide von Taxifahrern denkt.

Norbert Häring schreibt in seinem Buch „Endspiel des Kapitalismus“ über Firmen wie Amazon, Facebook, Google und Uber, diese sicherten sich ihre dominierende Stellung dadurch, dass sie sich nicht um Regeln scherten. Ausgerechnet mit Schaffung „fairer Wettbewerbsbedingungen“ für Uber & Co einen Antrag auf Senkung des Mehrwertsteuersatzes zu begründen, wie die FDP, darauf muss man erst einmal kommen. Was manch einer immer noch mit „Marktkonformer Demokratie“ umschreibt, nennt Steven Hill beim Namen: „Cowboy-Kapitalismus“.

Ein System des Stärkeren, vor allem des finanziell Stärkeren. Das Taxigewerbe müsste erneut vor Gericht ziehen, was es aber nur schwerlich kann, weil ihm dafür schlichtweg die Mittel fehlen, beispielsweise für die erwähnte Sicherheitsleistung, denn das große Taxisterben hat nun auch hierzulande eingesetzt. Aber selbst wenn, würde vermutlich nur das alte Spiel von Neuem beginnen, und zwar das zwischen Hase und Igel. Am Ende wird nicht etwa der betrügende Igel bestraft, der angeblich immer schon da ist, sondern der Hase fällt irgendwann einfach tot um. Genau das passiert gerade.