Autorius: RT Šaltinis: https://deutsch.rt.com/interna... 2023-04-28 16:09:00, skaitė 777, komentavo 0
Ein Flugzeug MS-21 vor der Erprobung des neuen einheimischen Triebwerks PD-14. Flugplatz Schukowski, Gebiet Moskau, Russland, 24. Mai 2022.
Eine Analyse von Kirill Strelnikow, RIA Nowosti
Ein Jahr nach der Verhängung umfassender Sanktionen gegen die russische Zivilluftfahrt gelangen westliche Analysten zu folgender Zwischenbilanz: Statt des geplanten Blitzkrieges im zivilen Luftverkehr steht der Westen enormen finanziellen Verlusten, sinkenden Marktanteilen und Einbußen im Wettbewerb gegenüber – während Russland dem Schlag standgehalten hat und nun ein äußerst widerstandsfähiges Luftverkehrssystem vorweisen kann. Laut einer in der deutschen Wirtschaftswoche veröffentlichten journalistischen Studie ist die Luftverkehrsaktivität über Russland laut dem Flugüberwachungsportal Flightradar24 seit Beginn der russischen militärischen Sonderoperation in der Ukraine praktisch unverändert geblieben. Was bedeutet, dass die Hoffnungen des Westens, die russische Luftflotte mit Sanktionen bruchzulanden, gescheitert sind.
Kapitulation? Flucht in die Offensive!
Alle Berechnungen der westlichen Jünger dieser "Sanctionology-Kirche" gründeten auf der Tatsache, dass drei Viertel der russischen zivilen Luftflotte Anfang 2022 Flugzeuge westlicher Herkunft ausmachten – von denen viele auch noch von westlichen Unternehmen geleast waren. Nach dem Beginn der russischen Intervention im Ukraine-Krieg verbot die EU die Lieferung jeglicher ziviler Flugzeuge und Ersatzteile dafür an Russland und verpflichtete die Leasinggeber, ihre Verträge mit russischen Fluggesellschaften zu kündigen. (Die Belieferung russischer Flugzeugbetreiber mit Ersatzteilen stellten einige westliche Firmen auch ohne Sanktionen bereits deutlich früher ein – oft unter Bruch gültiger Verträge, Anm. d. Red.) Zudem verbot Brüssel westlichen Anbietern die Wartung und Versicherung von Flugzeugen im Dienste der russischen Airlines. Gleichzeitig sperrten die EU, die USA und eine Reihe anderer Länder ihren Luftraum für russische Fluggesellschaften.
Bezeichnenderweise wurden die Sanktionen gegen die russische Luftfahrt am 25. Februar 2022 angekündigt – buchstäblich nur einen Tag nach dem Beginn der Operation – wohingegen die westlichen Beschränkungen gegen den Finanz- sowie den Öl- und Gassektor Russlands viel später verhängt wurden. Wie die Verfasser der Luftverkehrssanktionen zugaben, waren alle zuversichtlich, dass sie Russland "maximalen Schmerz" zufügen und den Luftverkehr des Landes völlig lahmlegen würden – und darauf wurde ernsthaft gesetzt.
Der Westen unterschätzte jedoch Russlands Entschlossenheit und Sicherheitsspielraum, und vergaß noch dazu die Geschichte und die Geografie gleichermaßen.
Die russischen Behörden reagierten indessen schnell, hart und asymmetrisch: Als Antwort auf die Sanktionen wurde es den russischen Fluggesellschaften gestattet, importierte Flugzeuge "umzunummerieren". Ein massives Programm zur Unterstützung der Luftfahrtindustrie und zur Importsubstitution wurde angestoßen. Und internationale Flüge der russischen Fluganbieter wurden vom Westen nach Süden und Osten umgeleitet.
Dies fruchtete: Trotz eines gewissen Rückgangs des Luftverkehrsaufkommens und des Verlusts einer Reihe von Flugstrecken erreichte der Gesamtgewinn der führenden russischen Fluggesellschaften Ende 2022 einen Rekordwert von 88 Milliarden Rubel – das heißt, 2,8 Mal mehr als noch im Jahr 2021. Für das Jahr 2023 prognostizierte das russische Verkehrsministerium einen Anstieg des Passagieraufkommens um 6,4 Prozent (auf 101,3 Millionen Fluggäste). Doch schon Ende März erklärte Verkehrsminister Witali Saweljew, dieser Plan sei bereits jetzt übererfüllt.
Nach der neuen Strategie der russischen staatlich-privaten Fluggesellschaft Aeroflot soll der Anteil der in Russland hergestellten Flugzeuge in der Flotte des größten Anbieters des Landes bis 2030 auf 70 Prozent ansteigen; zudem sei eine vollständige Umstellung auf russische Software geplant, heißt es. Gleichzeitig erlebt Russland einen Trend bei den Investitionen in den landesweiten Transport- und Logistik-Komplex, der für die letzten elf Jahre Rekorde setzt, und dessen Neuausrichtung auf befreundete Länder – einschließlich des lokalen und internationalen Luftverkehrs.
Ministerpräsident Michail Mischustin erinnerte: Russland gegenüber unfreundlich gesinnte Länder wollten die russische Luftflotte "landen" und begannen daher, die Bedingungen früherer Vereinbarungen eklatant zu verletzen. Doch Russland sei es gelungen, seine Flugzeugflotte zu erhalten und die Herstellung einheimischer Ausrüstung auszubauen.
Das Scheitern dieses Blitzkrieges in der zivilen Luftfahrt wird in den westlichen Medien nur sehr vage kommentiert: So schreibt Bloomberg, dass die Restriktionen gegen die russische Luftfahrt zu "gemischten Ergebnissen" geführt hätten und dass "die Sanktionen offensichtlich nicht so gewirkt haben, wie der Westen sich dies erhofft hatte."
Im Westen nichts Neues: Entgangener Gewinn und Neid
Auch rechnete man offensichtlich nicht damit, dass statt eines raschen und demütigenden Scheiterns der russischen Luftfahrtindustrie die Reinfälle den Westen selbst ereilen würden.
So führte beispielsweise die symmetrische Sperrung des russischen Luftraums für Fluggesellschaften aus der EU, den USA, Kanada und einer Reihe anderer Länder faktisch zu einer Umverteilung des Luftverkehrsmarktes – und zwar gewiss nicht zugunsten dieser Nicht-Partner Russlands:
Die geografische Lage der Russischen Föderation hat zur Folge, dass die kürzesten (und damit am billigsten zu bedienenden) Flugstrecken von Europa und Nordamerika in den Nahen Osten und nach Asien über den russischen Luftraum führen. Nachdem sie versucht haben, Russland mit der Sperrung der Flugstrecken nach Baden-Baden zu bestrafen, schauen die Verfasser der Sanktionen nun jedoch mit Tränen in den Augen auf ihre Taschenrechner: Denn jetzt dauern zum Beispiel Air-Canada-Flüge von Vancouver nach Hongkong und Delhi, bei denen um Russland ein Bogen geflogen werden muss, zehn Prozent länger, und kosten die Passagiere 41 beziehungsweise 47 Prozent mehr. Ein Flug von Paris nach Seoul dauert jetzt gut drei Stunden mehr (das sind mindestens 17.000 US-Dollar für zusätzlichen Treibstoff – und ein großes Hallo an Greta Thunberg). Die Flüge von Helsinki nach Tokio haben sich um 4,5 Stunden verlängert – und so muss jetzt auch Finnland seine ehrgeizigen Pläne, zum wichtigsten Luftdrehkreuz Europa-Asien zu werden, aufgeben. Die kumulierten Verluste der US-Luftfahrtunternehmen aufgrund der Antworten Russlands auf die antirussischen Sanktionen belaufen sich auf mindestens zwei Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Derweil sind bei Fluggesellschaften aus Ländern des Nahen Ostens und Asiens, die die Sanktionen nicht unterstützt haben, die Ticketpreise auf Strecken durch Russland im gleichen Zeitraum um 22 Prozent gesunken. Wahre Hysterie löste das bei ihren Konkurrenten in den USA und der EU aus: Dort fordert man nun, diese "unfairen Wettbewerbsvorteile zu beseitigen" und Fluggesellschaften Chinas, Singapurs, Koreas und Indiens zu zwingen, dieselben Strecken zu fliegen, wie die westlichen Fluganbieter sie auch fliegen müssen. Ja, ehrlich, warum dürfen sie das auch – und der Westen nicht?
Na ganz einfach: Der Westen darf das nicht, weil Russland so entschieden hat – und jeder muss das berücksichtigen.
Wie Henrik Hololei, der Generaldirektor für Verkehr und Mobilität bei der Europäischen Kommission, resümierte:
"Hier gibt es keine Maßnahmen, die [gegen Russland] anwendbar wären."
Jedenfalls dämmert die Unmöglichkeit, Russland in der Luft, zu Wasser und zu Lande zu "canceln", jetzt allmählich selbst den abgebrühtesten Sturköpfen. Und vom Stadium der Leugnung und des Zorns geht der Westen allmählich zum Stadium der Akzeptanz und sogar des Verhandelns über. Ein Experte der Carnegie-Stiftung bemerkte:
"Russland kann aufgrund seiner Größe und geografischen Lage nicht völlig vom globalen Verkehrssystem ausgeschlossen werden. Es zeichnen sich Gespräche über eine erneute Zusammenarbeit ab."
Nun denn, ihr guten Herren, bitte brav in die Schlange stellen. Und dann werden wir sehen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA am 27. April 2023.
Kirill Strelnikow ist ein russischer freiberuflicher Werbetext-Coach und politischer Beobachter sowie Experte und Berater der russischen Fernsehsender NTV, Ren-TV und Swesda. Er absolvierte eine linguistische Hochschulbildung an der Moskauer Universität für Geisteswissenschaften und arbeitete viele Jahre in internationalen Werbeagenturen an Kampagnen für Weltmarken. Vertritt eine konservativ-patriotische politische Auffassung. Mitgründer und ehemals Chefredakteur des Medienprojekts PolitRussia. Erlangte Bekanntheit, als er russische Journalisten zu einem Treffen des verfassungsfeindlichen Aktivisten Alexei Nawalny mit US-Diplomaten im Jahr 2015 lotste. Schreibt Kommentare vor allem für RIA und Sputnik.